„Das Endresultat ist immer eine Art dankbares Staunen“. Bei Fontane festgelesen – Eine andre Art Lebenslauf

Vortrag von Prof. Dr. Roland Berbig beim Fontane-Kreis Leipzig am 15. März 2023

von Henner Kotte

So einem die Schulstunden mit Effi Briest und John Maynard den Autor nicht vergällt haben, muss man Theodor Fontane lieben. Kaum ein Schriftsteller hinterließ ein so umfangreiches Werk, das (fast) alle Genres von Reportage, Ballade bis Epos umfasst. Es gibt Situationen, da man zu Fontane greifen muss: Ich tat’s im Krankenhaus, wo mir seine Texte Ruhe und Gelassenheit gaben, die ich nicht hatte. Und kaum ein Schriftsteller unserer Lande hat die deutsche Sprache mit Worten so bereichert, die bis in unsre Gegenwart Zeit und Zustände trefflicher nicht beschreiben können: Begeisterungsgebäude, Sehnsuchtsanwandlung, Gemütlichkeitsrangliste, Verklärungsschimmer, Zeitungsleserstandpunkt, Generalweltanbrennung, Menschheitsbeglückungsidee, Weltverbesserungsleidenschaft oder Schuhbürstenbackenbart. Der Duden verzeichnet solcher Art Wortschöpfungen nicht. Unwidersprochen: der Autor Theodor Fontane ist manchem seiner Leser ein Lebenswegbegleiter.

Roland Berbig bei seinem Vortrag in Leipzig

Auch Roland Berbig, der beruflich und privat von Theodor Fontane niemals lassen mochte. Im sehr gut gefüllten Veranstaltungsraum „Huldreich Groß“ der Stadtbibliothek Leipzig offenbarte er dem zahlreich erschienenen Publikum seine Lieblingsstellen aus dem Œuvre des deutschen Literatur-Giganten. Der Professor unterlief gekonnt jede Erwartungshaltung und bettete das Werk Fontanes in sein Leben, so dass Berbigs eigene Biografie viel farbiger erschien, als es vom Personalmanagement geforderte tabellarische Stichpunkte je könnten. Die Kurzweil des Vortrags unterbrach der Gong der Schließung der öffentlichen Bibliothek. Wir bemerken: Literatur kann Zeit vergessen lassen. Monika Stoye als Organisatorin unterbreitete den Vorschlag, dass die geneigte Zuhörerschaft doch auch ihre Fontane-Lieblingsstellen kundtun möge. Solch ein Abend würde viele einander näherbringen. Ich würde schon mal die oben genannten Stichworte geben …

Die Leipziger Stadtbibliothek

 

Fotos: Petra Hesse

One comment

  1. Prof. Andreas Göpfert says:

    Roland Berbigs Vortrag war sehr beeindruckend – wie nicht anders zu erwarten gewesen. Mir gefiel, wie er Autobiografisches mit der Fontane-Lektüre verband. Wie immer. rhetorisch geschliffen, und mit Humor gewürzt. Danke,

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