Fontane und der 175. Jahrestag der 1848er Revolution

Vortrag von Prof. Dr. Iwan-Michelangelo D`Aprile vor dem Fontanekreis Zeuthen am 18.02.23 an der TH Wildau

Wer sich am Faschingssamstag bei strömenden Regen aufrafft, zu einem Vortrag über Fontane nach Wildau zu pilgern, muss Fan sein. Mich trieb die Neugier auf den immer noch als „neuen“ Vorsitzen­den unserer Gesellschaft vorgestellten Referenten. Ich wurde nicht enttäuscht. D’Aprile öffnete den Blick auf den jungen Radikal­demokra­ten der Revolution von 1848, schlug den Bogen zum Wahlmann für die Konservativen, erklärte Fontanes Richtungs­wechsel anhand zahlreicher Zitate aus der Autobiographie „Von Zwanzig bis Dreißig“ und gab einen exzellenten Überblick zu Fontanes wechselnden politischen Überzeugungen. Im Mittelpunkt des Vortrags stand der junge „politische“ Fontane der Revolutionsjahre 1848/49, der sich als glühender Vertreter demo­krati­scher Ideen an den Barrikadenkämpfen in Berlin beteiligte.

Gesammelt sind Fontanes Texte aus und über diese bewegte Zeit dankenswerter Weise in dem Band „Nur in Freiheit wird man frei“ (Kiepenheuer & Witsch, 14 €), der gerade in der Reihe „Edition Paulskirche“ erschien, einer neuen „Bibliothek der frühen Demo­kratin­nen und Demokraten“. D’Aprile stellte sein Vorwort unter den Titel „Bäcker Rösike statt Humboldt“. Fontanes revolutionäre Lyrik wird in dieser Auswahl allerdings nicht hinreichend berücksichtigt. Überhaupt hätte dieser Band weit umfangreicher ausfallen können.

Babara Münzer, Leiterin des Fontane-Kreis Zeuthen und Prof. Dr. Iwan-Michelangelo D`Aprile, Vorsitzender der Theodor Fontane Gesellschaft beim Vortrag an der TH Wildau am 18.2.2023. Foto: WDH

Einige der vom Geist der Revolution inspirierten Texte Fontanes stellte D’Aprile während seines Vortrags mit Hilfe von Arbeitsblättern vor, darunter die Frühlingslieder aus dem Jahr 1842, die zum Teil erst 1908 aus dem Nachlass publiziert wurden:

Nicht ewig herrschen kann auf Erden
Die Willkür und die Tyrannei,
Nein, anders, besser wird es werden;
Und wir auch, Herz, wir werden frei.

Außerdem präsentierte er eine Blattvorlage mit einem bisher noch nicht in einer der Sammelausga­ben berücksichtigten Artikel aus der „Deutschen Allgemeinen  Zeitung“ vom 19. Nov. 1852:

„Mag unser parlamentarisches Leben noch in den Kinderschuhen stecken, mag unsere Vielregiererei sammt ihrem unliebenswürdigsten Sohne: der Polizei, das Achselzucken aller Derer nach sich ziehen, die jenseits des Kanals inne wurden, daß Staatsmaschinen (wie alle übrigen) um so besser sind, je einfacher sie sind; mag man die Bayonette verwünschen, die den harmlosen Reisenden noch immer vom Peron entgegen blitzen, dennoch erfüllt uns der feste Glaube, daß wir, und nur wir, die Keime eines freien Volkes in uns tragen…“

Diese Texte wie so manches andere aus Fontanes umfangreichem Werk hätten ebenfalls gut in den Sammelband der Edition Paulskirche gepasst. Freiheitssehnsucht ist das große Thema, das sich durch Fontanes Werk zieht. Noch in seinem letzten Roman hört man sein Vormärzherz schlagen.

Ergänzend zum Vortrag erläuterte Barbara Münzer vom Fontane-Kreis Zeuthen abschließend anhand einer historischen Karte Berlins, wo genau sich Fontane in den Strudel der Ereignisse stürzte.

Während das Jubiläum des Deutsch-Französischen Krieges vor wenigen Jahren von zahlreichen Veranstaltungen und Publikationen begleitet wurde, nahm die Öffentlichkeit vom 175-jährigen Jubiläum der Revolution von 1848 bisher kaum Notiz. Schon deshalb gebührt dem Referenten und den Organisatoren des Zeuthener Fontanekreises Anerkennung für diese gelungene Veranstaltung.

 

 

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