»Othello und die Droschkenkutscher«. Fontane-Kreis Leipzig gratuliert Erich Kästner zum 125. Geburtstag

Diese ungewöhnliche Einladung ging an die Mitglieder und Freunde der Theodor Fontane Gesellschaft in Leipzig und Umgebung zu einer Veranstaltung am 19. Juli 2024 in die Leipziger Stadtbibliothek. Und trotz des auch in Leipzig tobenden Fußballfiebers einer Europameisterschaft und heftiger Regengüsse, füllte sich der Veranstaltungsraum »Huldreich Groß« mit interessierten Fontane- und Kästner-Freunden.

Aufhänger für die Lesung von Gedichten, Glossen und Satiren aus Kästners Leipziger Zeit mit dem Sänger und Schauspieler Michael Raschle war die sehr schöne Äußerung Erich Kästner über Fontane, die wenig bekannt sein dürfte und die von Klaus-Peter Möller vom Theodor-Fontane-Archiv gefunden wurde. Bertold Spangenberg, der Verleger der Nymphenburger Verlagsanstalt, wendete sich 1959 mit einer Umfrage an Prominente und stellte deren Aussagen zu Fontane in einer kleinen Broschüre zusammen. Das war die beste Werbung für die damals startende Nymphenburger Fontane-Ausgabe. Erich Kästner schrieb ihm daraufhin am 9. August 1959 folgendes:

»Neues über den Wert, die Kunst und den Zauber seiner Bücher wüsste ich nicht mitzuteilen. Längst wurde alles gesagt. Und längst wurde das meiste vergessen. So mag es nicht nur entschuldbar, sondern notwendig und an der Zeit sein, das längst gesagte und fast vergessene zu wiederholen. Theodor Fontane gelang, was den großen ausländischen Meistern mit Paris, London, Petersburg gelungen war: Er schuf Berlin zum zweiten Male. Er schenkte uns die Stadt an der Spree, wie Balzac uns die Stadt an der Seine und Dickens die Stadt an der Themse schenkten. Städte und ihre Gesellschaft mögen sich wandeln, sie mögen wachsen, verfallen und zerstört werden, – ihr Herz und eigentliches Wesen lebt im Oeuvre der großen Romanciers unzerstörbar fort. Die anderen sind größer als er? Er steht uns näher. Sie müssen wir noch bewundern? Ihn dürfen wir lieben«.

Erich Kästner wurde 1899 in Dresden geboren und kam 1919 nach Leipzig, um an der Alma Mater Germanistik zu studieren und zu promovieren. Er blieb hier bis 1927. Schon während seines Studiums auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten und später als Redakteur schrieb er Gedichte, Erzählungen, Glossen, Aphorismen, Buchrezensionen und Theaterkritiken für das Leipziger Tageblatt, die Neue Leipziger Zeitung und die satirische Wochenzeitschrift Der Drache. Gesammelt sind diese Beiträge in dem im Verlag Lehmstedt 2004 erschienen Band Der Karneval des Kaufmanns.

Nuanciert mit genauem Sprachduktus brachte Michael Raschle, der ansonsten an der Musikalischen Komödie Leipzig als Bariton in vielen Rollen zu erleben ist, die selten gelesenen Texte zu der zahlreich erschienenen Hörerschaft, die sie mit Vergnügen und Beifall am Ende aufnahm.

MIchael Raschle in Leipzig. Foto: FK Leipzig

 

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