Dichterfrauen sind immer so

Vortrag von Dr. Maria Brosig beim Fontane-Kreis Leipzig am 2. April 2025

Am 2. April stellte Dr. Maria Brosig, Redakteurin der Fontane Blätter, dem Leipziger Publikum den von Gotthard Erler und Christine Hehle herausgegebenen und vorzüglich kommentierten Band Dichterfrauen sind immer so vor (Aufbau Verlag Berlin 2024). Das Buch beinhaltet 142 Briefe von Emilie Fontane aus einem Zeitraum von 48 Jahren; 40 davon an ihren Mann, weitere an Familienmitglieder, Freunde und Bekannte, darunter auch bislang Unveröffentlichtes. Ergänzt wird die Auswahl durch 11 chronologisch angeordnete Kapitel, worin die Herausgeber die Eckdaten zu den Briefinhalten liefern und die wichtigsten Lebensstationen des Ehepaars Fontane skizzieren. In ihrem Vortrag erläuterte Brosig zunächst das titelgebende Briefzitat sowie die Konzeption der im ›Emilie-Jahr‹ erschienenen »Brief-Autobiographie«, welche geeignet ist, das Leben der im Schatten des großen Schriftstellers wirkenden Gattin einem breiteren Publikum näherzubringen. Kenntnisreich kommentierte Brosig ihre unterhaltsame Auswahl thematisch vielfältiger, besonders bemerkenswerter Textstellen, ergänzte sie um Anmerkungen zum sozialhistorischen Kontext oder beispielsweise zu den Eigenheiten von Emilies Schreibstil. Begleitet wurde Brosigs Vortrag von einer vergnüglichen Lesung der Textauszüge durch die Schauspielerin Friederike Dietzel. Mit ihrer tiefen, kräftigen Stimme sowie mit einer gefühlvollen und dabei selbstbewusst-resoluten Intonierung traf Dietzel sehr gut jenen Ton, der für Emilies wechselvolle Korrespondenz mit ihrem Ehemann kennzeichnend ist. Im Folgenden werde ich eine knappe ›Auswahl der Auswahl‹ an Briefen vorstellen, welche von Dietzel zu Gehör gebracht und von Brosig, unter Referenz auf Erler und Hehle, kommentiert wurde:

Unvorstellbare fünf Jahre musste Emilie bekanntlich auf die Hochzeit mit ihrem »Herzensmann« warten. Als sich diese fürwahr »entbehrungsreiche Brautzeit« im Sommer 1850 endlich ihrem Ende näherte, berichtete sie an ihre Stiefmutter Bertha Kummer: »Ich harre jetzt in Geduld u. nehme jede neue, geknickte Hoffnung mit Ergebung auf. Der Wille Gottes macht uns dehmüthig, ich hätte nie geglaubt, so ruhig u. sanft werden zu können. Ich kann’s auch noch ertragen; nur wenn ich sehe wie meines Theo’s schönes Leben vergeht ohne Freude, ohne Hoffnung, dann wird mir recht weh um’s Herz.« Den resignativen Ton der Verfasserin treffend, trug Friederike Dietzel diese Textstelle intensiv, aber nicht wehleidig, sondern mit fester Stimme vor.

Dr. Maria Brosig und Friederike Dietzel beim Fontane-Kreis Leipzig

Mit Erler und Hehle betonte Brosig, dass Emilie ob ihrer »komplizierten Herkunft« als Adoptivkind vom Schicksal nicht verwöhnt war, und so sanft und ruhig wie in der Verlobungszeit nahm Emilie die Krisen mit dem umtriebigen Ehemann und Vater ihrer Kinder später doch nicht mehr hin. Brosig würdigte Emilie als »Mutter, Personalvorstand, Umzugsmanagerin und Unterstützerin ihres Ehemannes«; auch ihre unermüdliche Tätigkeit als Agentin, Korrektorin und Kopistin ihres Mannes sei kaum zu unterschätzen. Damit schloss sich Brosig der auch von Erler und Hehle vertretenen Auffassung an, Emilie als ernstzunehmende, »kompetente Partnerin auf Augenhöhe« und
bisweilen auch ironisch-kritische Gefährtin wahrzunehmen. Repräsentativ führte Brosig hier einen Brief an, in welchem Emilie ihrem Mann mit hinreichender Schonung und doch pointiert die Schwächen der schemenhaften Figurenkonzeption von Graf Petöfy beizubringen versucht – ein sehr geschickt in »Klugschmuserei« (E.F.) verpacktes ästhetisches Urteil, das auch heute noch viele Leser teilen dürften. Kritisch ausbalanciert wurde dieser Themenkomplex durch einen Hinweis der Referentin auf Fontanes zeitweilig paternalistischen Ton: Zwar lobte er Emilies »künstlerischen Sinn«, aber eben nur »en detail«, denn seine Frau sei, wie die meisten, eben eine »conventionelle Natur«. Durch die zeitliche Raffung vermittelte der Vortrag einen Eindruck vom Auf und Ab dieser Ehe, in deren Verlauf Emilie ihrem Partner zunehmend versierter und gelassener entgegentritt. Mit einordnenden Anmerkungen klärte Brosig etwa über die Schreibbedingungen Emilie Fontanes auf: Ihr sprunghafter Schreibstil, über den sich Fontane vom fernen England aus beklagt hatte, resultierte nicht selten daraus, dass sie mit den Kindern in der engen Wohnung meist »auf sich allein gestellt« war. Überzeugend streicht Brosig die Anschaulichkeit und Lebensnähe gerade dieser Briefe heraus, während Fontanes »Fernkommentare« hingegen mitunter »deplatziert« wirkten.

Im Anschluss an so manche Tiefpunkte der ehelichen Korrespondenz präsentierte Brosig zur Freude der Zuhörer Auszüge aus dem Emilies Tagebuch vom Sommer 1874, worin sie mit viel Humor über die glückliche Reise nach Italien berichtet. Die von alltäglichen Pflichten Befreite schwärmt hier unter anderem vom Trasimenischen See mit seinen drei Inseln, von einem Ausflug zur Blauen Grotte (der Teufelshöhle) auf Capri, und vom gesunden Appetit ihres gutgelaunten Gatten, der »wie ein Wehrwolf« essen würde: »es war Alles unsagbar schön.«

Den idealen Abschluss dieses lehrreichen und unterhaltsamen Abends bildete ein rührender Brief, den die altersweise Emilie 1898, kurz nach dem Tod Fontanes, an ihre langjährige Freundin Klara Stockhausen schrieb: Dankbar sei sie für den »wundervollen Abschluß eines so schönen, bevorzugten Lebens«, dabei »vermisse [sie] den geliebten Mann täglich…«. Im Anschluss an die gut besuchte Lesung stießen einige treue Freunde der
Fontane-Gesellschaft mit einem Glas italienischen Rotweins auf Emilie
Fontane und ihre lange und insgesamt glückliche Ehe an.

 

Text: Sophia Wege

Foto: Ralph-Peter Borchert

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