Fontane-Kreis Leipzig: „Fontane aufs Korn genommen“ – Fontane im Spiegel der Karikatur

Text: Matthias Grüne
Fotos: Petra Hesse

IMG_5883Es ist ein oft bewunderter Zug in Fontanes Poetik, dass die Figuren seiner Romane, so problematisch mitunter auch ihr Charakter und ihre Haltung zur Welt sein mag, fast nie zur reinen Karikatur werden, sondern komplexe, nuanciert gezeichnete Persönlichkeiten bleiben. Insofern mag ein Vortrag zum Wandel des Fontane-Bilds im Spiegel der Karikatur auf den ersten Blick überraschen. Überblickt man aber die Vielzahl von karikaturesken Darstellungen, die zu Fontane existieren, so wird deutlich, dass sie zusammengenommen eben das leisten, was der Autor in seinen Texten stets anstrebt: Sie zeichnen das Bild einer vielschichtigen, mitunter auch widersprüchlichen Persönlichkeit.

Klaus-Peter Möller vom Fontane-Archiv-Potsdam führt in seinem Vortrag, der am 24. Juni 2015 in der Leipziger Stadtbibliothek zu hören war, die Vielgestaltigkeit karikierender Dichterportraits eindrucksvoll vor Augen. Sein Material reicht dabei vom Ölgemälde der Tunnel-Mitglieder bis hin zu Werken von Karikaturisten der Gegenwart wie Rainer Ehrt, David Levine oder André Carrilho. Der Blick der Zeitgenossen auf den jungen, aufstrebenden Dichter kommt darin ebenso zur Geltung wie der Blick zurück auf den kanonisierten Autor; die Schottlandbegeisterung Fontanes ebenso wie sein Preußentum.

Über den Informations- und Schauwert der einzelnen Karikaturen hinaus ist Möllers Vortrag vor allem deshalb unterhaltsam, weil er auch die Geschichten hinter den Bildern nicht ausspart. So erfährt man, um nur zwei Beispiele herauszugreifen, warum Adolph von Menzel Fontane einen falschen Bart anmalt oder Bernhard von Lepel seinem Freund eine Zeichnung zukommen lässt, auf der nur die Silhouette eines Mannes am hell erleuchteten Fenster zu sehen ist. Darüber hinaus gelingt es Möller, dem Publikum einen Eindruck von den vielfältigen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten der Karikatur zu vermitteln, die häufig ein erfrischend anderes Bild vom Autor einfängt oder konstruiert, als man es aus anderen biographischen Zeugnissen und den Literaturgeschichten entnehmen kann.

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