Fontane Kreis Leipzig: Vortrag zu Fontane und die „sexuellen Uncorrektheiten“

IMG_5590Text: Uta Hanke
Foto: Petra Hesse

Zum Vortrag nach Leipzig lud der Fontane Kreis am 29. April 2015 Georg Bartsch in die Stadtbibliothek ein.

Vor großem Publikum stellte der Referent sein neues Buch zu Theodor Fontane vor. Darin widmet sich Bartsch den „sexuellen Uncorrektheiten“, mit denen sich der Schriftsteller in seinem Werk, aber auch in autobiografischen Schriften auseinandergesetzt habe.

In seiner Untersuchung erschließt Bartsch anhand biografischer Befunde, die das soziale Umfeld Fontanes – Friedrich Eggers ebenso wie Carl Windel – einbeziehen, sowie mit einer weitgreifenden Werkanalyse dieses bislang unbekannte Forschungsfeld. Er geht dabei der Frage nach, wie der Autor das Gleichgeschlechtliche aus der Perspektive seiner Zeit bewertet und literarisch dargestellt hat.

Fontane habe „das Sexuelle in seinen Romanen stets durch Auslassungen umschifft“, so die gängige Forschungsmeinung. Der Referent arbeitet jedoch heraus, dass sich Fontane mit der gleichgeschlechtlichen Orientierung von Männern immer wieder und besonders im Spätwerk befasst habe. Dabei sei er nicht nur zeitüblichen Anschauungen nachgegangen, sondern Fontane sei „ein Vorreiter für einen offenen Umgang mit der Thematik“ gewesen.

Zu Beginn seines Vortrags erklärte Bartsch den zeitgenössisch zu verwendenden Begriff des Homoerotischen, den er für den heutigen Terminus der Homosexualität einsetzte.

Aus seinen Aufzeichnungen in Meine Kinderjahre holte der Vortragende daraufhin Fontanes Erinnerungen an seinen Lehrer, den homoerotischen Rektor Thormeyer herauf, vor dem sich der einstige Schüler „halb tot geängstigt“ habe und der als Figur im Stechlin später wiederbegegnet. Dort lasse sich das homoerotische Motiv in unterschiedlichen Szenen nachweisen und vor allem am „Schicksal“ Melusines aufzeigen, „sich für homosexuelle Männer zu interessieren“.

Anschließend stellte Bartsch Ergebnisse seine Werkstudien einzeln vor, worin beispielsweise der Apotheker Gieshübler aus Effi Briest als positive homoerotische Figur genauso zutage tritt und das Geschehen als „Sonderling“ mitbestimmt, wie St. Arnaud aus der Cécile sich durch entlarvende Bemerkungen als gleichgeschlechtlich Liebender zu erkennen gebe. Dessen Ehefrau gerate jedoch zum Hindernis seiner zu unterdrückenden Gefühle. In Unwiederbringlich sind es die Nebendarsteller, die Fontane mit Eigenschaften des zeittypischen Homoerotischen versieht und sie daneben als Gourmands und komische Figuren konstruiert. In der „Katte Tragödie“, die in den Wanderungen behandelt wird, verbinden sich Katte und Friedrich II. über eine zugeworfene Kusshand zum Paar. Auch der Bruder Friedrichs, Prinz Heinrich, sei ein „Weiberfeind“ gewesen, wie der Dichter ebenfalls festgestellt habe.

Bartschs anregende Ausführungen haben in ein spannendes und wichtiges Themenfeld eingeführt und ein weites Feld für neue Lesarten und entstehungsgeschichtliche Textanalysen von Fontanes Werken und Schriften eröffnet.

 

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