Fontane-Kreis Leipzig: Leipzig – mit Fontanes Augen gesehen

Text: Matthias Grüne

IMG_5087Die Bilanz, die die Kunsthistorikerin Brunhilde Rothbauer ihrem Vortrag „Leipzig – mit Fontanes Augen gesehen“ voranstellte, klang durchaus ernüchternd: Von dem, was der junge Fontane bei seiner Ankunft in Leipzig wahrnahm und bewunderte, sei kaum noch etwas übrig. Bei einigen Zuhörern, die am 26. November 2014 in großer Zahl in den Vortragssaal der Stadtbibliothek Leipzig gekommen waren, dürfte sich an dieser Stelle zunächst ein Gefühl der Enttäuschung eingestellt haben. Das aber wich umgehend, da die Referentin es ausgezeichnet verstand, die Konturen einer verschwundenen Stadt wieder aufscheinen zu lassen. Der reich bebilderte und von einer großen Detailkenntnis zeugende Vortrag nahm den Zuhörer mit auf einen virtuellen Rundgang durch das Leipzig der 1840er und 50er Jahre. Es wurde nachvollziehbar, warum die Stadt auf den jungen Apothekergehilfen einen so starken Eindruck machte, dass er ihr aus architektonischen Gesichtspunkten sogar den Vorzug vor Berlin einräumte. Fontane kam in eine gewachsene Stadt, in der mittelalterliche Elemente und barocke Pracht, Renaissancegebäude und klassizistischen Fassaden nebeneinander existierten. Wie Rothbauer verdeutlichte, verlor die Messe- und Handelsmetropole bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts viel von dieser baulichen Vielfalt. Zu den zentralen Erkenntnissen dieses unterhaltsamen Abends gehörte dann auch die Einsicht, dass die Stadtplaner in diesem angeblich so geschichtsbewussten Jahrhundert wenig Scheu hatten, das Stadtbild den gewandelten Bedürfnissen der Zeit anzupassen und Altes dafür niederzureißen. Nicht nur für Leipzig-Kenner war es äußerst aufschlussreich, diesem tief greifenden Veränderungsprozess an konkreten Beispielen nachzuspüren. Auf dem Heimweg, so steht jedenfalls zu vermuten, dürfte so mancher Zuhörer die altbekannten Straßen, Plätze und Häuser mit anderen Augen gesehen haben.

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