Konferenzbericht: Von den Dünen bei Świnoujście nach Breslau

(Fotos von der Tagung finden Sie hier.)

Von den Dünen bei Świnoujście nach Breslau. Die Konferenz Theodor Fontane – dzieło i jego polska recepcja. Wrocław, 9.4.-10.4.2014

 

Rede wenig, rede wahr,

zehre wenig, zahle bar!

– Volksmund –

 

Mit diesen Worten leitete der deutsche Generalkonsul in Wrocław, Dr. Gottfried Zeitz, die Konferenz ein, die am 9. und 10. April 2014 im Instytut Filologii Germańskiej an der Universität in Wrocław stattfand. Zu den Referenten gehörten Mitarbeiter verschiedener Universitäten sowie Doktoranden und Studenten. Zudem war ein Mitarbeiter des Theodor Fontane Archivs in Potsdam gekommen, der über die Tätigkeiten des Archivs informierte. Dank dieser Mischung war das Programm vielfältig, kurzweilig und verknüpfte verschiedene Disziplinen der Literaturwissenschaft. Warum Fontane und Polen? Auf diese Frage wollten die Teilnehmer der Konferenz Antwort geben.

Die Konferenz war thematisch in zwei Teile geteilt. Die erste Runde war Fontanes Werk und dessen Rezeption in Polen gewidmet, während es in Teil zwei um die Wanderungen durch die Mark Brandenburg und Fontanes Reisen in Schlesien ging.

Die Vorträge zum Werk deckten verschiedene Bereiche ab. So erfuhren die Teilnehmer von Mgr. Anna Volk und Mgr. Joanna Wołowska (Wrocław), dass der Ort, wo sich Effi und Crampas hinter den Dünen trafen, bei Świnoujście (das Kessin in Effi Briest) tatsächlich noch vorhanden ist. Mgr. Artur Robert Białachowski lieferte eine kritische Analyse der Übersetzung der Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Prof. Rudolf Muhs (London), erläuterte die Art und Weise, wie Fontane Vertreter verschiedener Nationalitäten in seinen Werken beschrieb – während Engländer immer typisch englisch sind, treten Polen in verschiedenen Gestalten und Temperamenten auf. Es gab die Möglichkeit, die gelungene Übersetzung des Titels Irrungen, Wirrungen zu bestaunen – Rozdroża, bezdroża –, was sogar die Teilnehmer, die des Polnischen nicht mächtig sind, begeisterte. Nicht nur die Romane Fontanes wurden besprochen, auch seine literaturkritische Tätigkeit, die er zum Broterwerb immer wieder ausübte. Selbst unterschiedliche Medien kamen ins Spiel. So stellte Prof. Aneta Mazur (Opole) eine Verbindung zwischen Effi Briest und der Melancholie von Lukas Cranach d. Ä. her, und Mgr. Joanna Małgorzata Banachowicz (Wrocław) referierte über die neuste Verfilmung von Effi Briest, die in den kritischen Momenten gar nichts mehr mit dem Roman zu tun hat.

Nicht zu vergessen sind natürlich die Pausen, die ebenso wie zur physischen Stärkung zum Kennenlernen und Diskutieren genutzt wurden.

Der zweite Teil der Vorträge war der Frage nach dem Hier und Jetzt, also Theodor Fontanes Verbindung mit Schlesien gewidmet. Denn einige der Orte, die er damals besuchte, sind heute noch vorhanden und zu besichtigen. Was eine Gruppe von Studenten auch getan hat. Sie waren ihm nicht nur durch Schlesien gefolgt, sondern hatten selber Wanderungen durch die Mark Brandenburg unternommen und vermittelten nun den Zuhörern mithilfe einer Fotopräsentation einen visuellen Eindruck davon. Anschließend begaben sich die Teilnehmer der Konferenz selbst auf die Reise: ein Stadtspaziergang auf den Spuren Fontanes. Er hatte 1872 viereinhalb Stunden in Breslau zugebracht und alle für Preußen wichtigen Orte besucht. Die Geschichte Schlesiens interessierte ihn eher wenig, er wusste nicht viel darüber, was sich auch in den Notizen über den Breslauaufenthalt niederschlug.

Während des Stadtspaziergangs wurde natürlich auch der beiden anderen Dichter gedacht, die mit Breslau verbunden sind: Joseph von Eichendorff und Angelus Silesius. Übrigens war Angelus Silesius in der Matthias-Kirche beigesetzt (und Joseph Eichendorff besuchte das Matthias-Gymnasium), die sich ganz in der Nähe des Instytut Filologii Germańskiej befindet, nur stieß seinen Gebeinen während einer Rettungsaktion im II. Weltkrieg genau das Gegenteil einer Rettung zu, sodass sie heute nicht mehr vorhanden sind.

Auf was überhaupt nicht eingegangen wurde, ist Fontanes lyrisches Werk. Das mag am Umfang der Übersetzungen ins Polnische liegen, denn schließlich sollte es bei der Konferenz auch um die Rezeption seines Werkes in Polen gehen. Auf der Internetseite der Theodor Fontane Gesellschaft hieß es: „Die Tagung […] soll dem breiteren polnischen Publikum das Œuvre unseres Dichters näherbringen, daher ist Polnisch die Tagungssprache; Referate der Teilnehmer aus Deutschland und Großbritannien werden übersetzt.“ Was das „breite Publikum“ betrifft, war erstaunlich, wie viele Studierende Interesse zeigten. Was das „übersetzt“ angeht, lagen zwar die deutschen Vorträge in polnischer Fassung vor. Nur hatte jemand vergessen, den zwei deutschsprachigen Teilnehmern das Verstehen der polnischen Beiträge zu ermöglichen, was aber nach dem Mittagessen in Form einer Flüsterübersetzung durch zwei engagierte Doktoranden bestens nachgeholt wurde.

Zum Schluss erlaubt sich nun die Autorin, persönlich das Wort zu ergreifen. Ich war überrascht, wie unlangweilig und verständlich die Themen behandelt wurden, ja dass sogar „touristische“ Details wie Effis Dünen Erwähnung fanden. Die Konferenz war ein gutes Beispiel dafür, was wissenschaftliches Arbeiten im besten Fall sein kann: Für die Referenten das Kennenlernen von Forschern zum gleichen Thema und Austausch von Ideen. Für die Zuhörer – hauptsächlich ständig wechselnde Studentengrüppchen, die der Konferenz eine ziemliche Dynamik verliehen – eine informative Veranstaltung, die sicher bewirkte, dass sich der ein oder andere vornahm, Matilde Möhring zu lesen, um zu prüfen, ob das Polenbild tatsächlich dem entsprach, wie Herr Muhs es dargestellt hatte, zumindest aber den Film Effi Briest anzuschauen. Ein kurzes Gespräch ergab, dass das Treffen für die Referenten sehr fruchtbar war: Er wolle gerne der Theodor Fontane Gesellschaft beitreten, sagte Herr Mrożek, und habe auch schon Ideen welche Aspekte von Unterm Birnbaum er noch untersuchen könne.

Marlena Breuer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.