„Brief aus Berlin“ (25): Am Gendarmenmarkt

Die „Briefe aus Berlin“ erscheinen in den „Mitteilungen“ der Fontane Gesellschaft und werden auf der Website ebenfalls zugänglich gemacht.

Am Gendarmenmarkt

von Georg Bartsch

Einer der schönsten Plätze Berlins ist der Gendarmenmarkt. Und wir erinnern gleich, dass Fontane hier von 1870 an 20 Jahre lang seinen Arbeitsplatz als Theaterkritiker für die Vossische Zeitung hatte. Längst ist aus dem Königlichen Schauspielhaus das Konzerthaus geworden. Links und rechts vom Eingang sind Zitate in den Boden eingelassen, die Berlin und seine Einwohner rühmen. Auf der einen Seite drei, auf der anderen vier. Wie das an einem von Symmetrie geprägten Ort? Das vierte Zitat ganz links wurde mit dem Ende der DDR entfernt. Erich Honecker feierte 1979 hier den Siegeszug des Sozialismus auferstanden aus den Ruinen Berlins.

Der Maler Otto Nagel, der posthum der 79. Ehrenbürger der Stadt wurde, lässt uns wissen:

„Ich habe sie schon immer geliebt, die alte Stadt; Geliebt in achtungsvoller Verehrung.“ Und Schiller, dessen Denkmal mitten auf dem Platz in weiß erstrahlt, wird zitiert: „Dass ein längerer Aufenthalt in Berlin mich fähig machen würde, in meiner Kunst fortzuschreiten, zweifele ich keinen Augenblick.“

Seine Stücke wurden hier im Schauspielhaus oft aufgeführt. Zu seinem Wilhelm Tell schrieb Fontane zu Beginn der neuen Theatersaison am 17. August 1870 die erste Kritik für die „Vossin“. Zu Schiller heißt es dort: „Ein Glück, dass wir ihn besitzen, dass seine vor allem spruch- und gedankenreichen Schöpfungen uns, für alles, was kommen mag, bereits einen geprägten längst allgemeingut gewordenen Ausdruck überliefert haben, der zur rechten Stunde seine ursprüngliche Frische zurückgewinnend, neuzündent in alle Herzen schlägt.“

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Schillerdenkmal am Gendarmenmarkt (Foto: G. Bartsch)

Georg Forster, der Naturforscher und Reiseschriftsteller, der an der zweiten Weltumseglung James Cooks teilnehmen durfte, meint: „Berlin ist gewiss eine der schönsten Städte in Europa.“ Klingt gut, ist jedoch aus dem Zusammenhang gerissen. Es heißt etwas ausführlicher: „Ich hatte mich in meinen mitgebrachten Begriffen von dieser großen Stadt sehr geirrt. Das Äußerliche viel schöner, das Innerliche viel schwärzer, als ich mir’s gedacht hatte. Berlin ist gewiss eine der schönsten Städte in Europa. Aber die Einwohner? – Gastfreiheit und geschmackvoller Genus des Lebens – ausgeartet in Üppigkeit, Prasserei, ich möchte fast sagen Gefräßigkeit. Freie aufgeklärte Denkungsart – in freche Ausgelassenheit, und zügellose Freigeisterei … Was Wunder, dass Goethe dort so sehr, so allgemein missfallen hat, und seinerseits auch mit der verdorbenen Brut so unzufrieden gewesen ist!“

Das lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Fontane selbst ist ebenfalls sehr direkt in seinem Urteil über die Berliner. Jedoch meint man bei ihm auch so etwas wie eine Liebeserklärung für den Menschentyp herauszuhören. Im Stechlin heißt es im 12. Kapitel:

„Wie beinah jedem hierlandes Geborenen, war auch ihr (Frau Schickedanz, d.V.) die Gabe wirklichen Vergleichenkönnens völlig versagt, weil jeder echte, mit Spreewasser getaufte Berliner, männlich oder weiblich, seinen Zustand nur an seiner eigenen kleinen Vergangenheit, nie aber an der Welt draußen misst, von der er, wenn er ganz echt ist, weder eine Vorstellung hat noch überhaupt haben will.“

Bleibt die Frage, ob nicht auch auf der linken Seite wieder ein viertes Zitat den Boden des Gendarmenmarktes zieren sollte? Und wer böte sich da besser an als Theodor Fontane mit seiner Bemerkung in dem Essay-Entwurf Berliner-Ton:

„Vor Gott sind eigentlich alle Menschen Berliner.“

Da steht dann nicht nur der Tourist, sondern auch der Berliner grübelnd davor. Vergeblich wird man einen Sinn in dieser Aussage suchen. Und hat dennoch das Gefühl, der alte Fontane hat ja so Recht.

P.S. Herr Staatssekretär Schmitz dankt für den Vorschlag und hält diesen für eine schöne Idee.

 

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