Leipzig: Ins Netz gegangen – Leander Wattig über Theodor Fontane im Social Web

Text: Eberhard Figlarek

Foto: Monika Stoye

IMG_4240

Heutzutage wären wir ohne Internet arg gehandicapt. Ob wir Eisenbahn-Fahrkarten lösen wollen, Urlaubsflüge und –hotels buchen, ob wir etwas ein- oder verkaufen wollen oder ob wir irgendjemandem eine Summe Geldes überweisen müssen – alles geschieht per Mausklick. Schnell, bequem und überwiegend auch sicher. Das Internet ist schon ein toller Dienstleister ! –

Seit geraumer Zeit aber ist es mehr als das. Das Internet hat sich zum „Social Web“ gemausert. In solch einem weltweiten Kommunikationsverbund kann jeder, der glaubt, der Welt etwas Wichtiges sagen zu müssen, auf Leute hoffen, die seine Mitteilungen freudig mit nach oben gestrecktem Daumen begrüßen, dazu „das gefällt mir“ jubeln und damit zu Freunden werden (wenigstens virtuellen).

Der Verfasser muss an dieser Stelle beschämt bekennen, dass ihm Freunde aus Fleisch und Blut im unmittelbaren Umfeld lieber sind als Unbekannte auf dem Monitor. Er will aber damit all jenen, die einen Chat mit vielen Internet-Freunden einem gemütlichen Freundeskreis in der kleinen Kneipe in unserer Straße vorziehen, nicht weh tun. Zumal er sich mit seiner – womöglich zu konventionellen – Einstellung in der Minderheit weiß.

Sind es doch nach letzten Erhebungen rund 800 Millionen Menschen, die allein bei facebook registriert sind. Womit – wäre facebook ein Staat – dieser die drittgrößte Bevölkerungszahl der Erde vorweisen könnte, hinter China und Indien, und noch weit vor den USA.

Gechattet wird von Männlein wie Weiblein zwischen 14 und 84, sprachliche Barrieren gibt es dabei ebenso wenig wie thematische. Facebook und Co. haben die Welt im Griff. Sie haben sie – übermächtigen Spinnen gleich – vernetzt.

Interessant wäre es nun, einmal zu recherchieren, welchen Platz in solchen modernen Kommunikationsgemeinschaften die Geistesgrößen vergangener Zeiten einnehmen, wie z. B. Theodor Fontane.

Dieser Frage nachzugehen, war das Ziel eines Vortrages in der Stadtteilbibliothek Süd „Walter Hofmann“ in der Steinstraße, wohin der Fontane-Kreis Leipzig seine Mitglieder und Freunde am Mittwoch, den 18. April 2012, eingeladen hatte. Hauptakteur des Abends war der dem Vorstand der Gesellschaft angehörende Herr Leander Wattig, ein junger Kommunikations- und Marketing-Fachmann, der sich dem Leben und Schaffen Fontanes ebenso verbunden fühlt wie der Welt der elektronischen Daten- und Informationsverarbeitung. Ein Mann also, der geradezu dafür prädestiniert war, Ausführungen zum Thema „Fontane und das Internet“ zu machen. Obwohl das auf den ersten Blick nicht machbar scheint, weil ja zwischen diesen beiden thematischen Polen knapp zwei Jahrhunderte liegen. Doch Herr Wattig verstand es sehr geschickt und in unkonventionell-frischer Art, den Bogen zwischen dem ausgehenden 19. und dem 21. Jahrhundert zu schlagen und durch interessante Ton- und Bildbeispiele zu unterlegen, was teilweise bei den Besuchern gleichermaßen zu Verblüffung und Heiterkeit führte. Denn wer hätte schon damit gerechnet, den Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland als Rap-Musik-Version hören zu können?

 

Noch mehr verblüfft vielleicht ein Beispiel aus dem Theaterleben: während die Premiere von „Effi Briest“ im Berliner Maxim-Gorki-Theater gerade mal von 430 Zuschauern besucht werden konnte, hatten sich für die Vor-Premiere auf facebook mehr als 1.200 User akkreditiert. Die konnten das Stück nicht nur miterleben, sondern auch durch eigene Meinungsäußerungen auf dem Bildschirm kommentieren, als „virtuelle Zwischenrufe“ sozusagen. Diese Art des selbständig-kreativen Kulturkonsums könnte natürlich ohne die Möglichkeiten des Social Webs gar nicht zustande kommen. Seine Funktion als Informationsträger und –vermittler spielt also eine durchaus ernstzunehmende Rolle bei der Verbreitung unseres Kulturgutes.

So ließ sich als durchaus erfreuliches Fazit der Veranstaltung die Erkenntnis mit nach Hause nehmen, dass selbst der vergleichsweise „alte“ Fontane seinen Platz in unserer Computer-Welt gefunden hat. Nicht nur die Gegenwartsbezogenheit des Wirkens der Theodor Fontane Gesellschaft hat dazu beigetragen, sondern gleichermaßen das Social Web dank seiner sich schneeballsystem-artig ausbreitenden Informationsverbreitung und der Möglichkeit der interaktiven Kommunikation zwischen den Nutzern.

Mit dem Zusammenspiel dieser Komponenten findet das bekannte Wort des Romanciers, wonach man  „…das Alte lieben, aber für das Neue recht eigentlich leben“ soll, wieder einmal eine bemerkenswerte Bestätigung.

Leider war die Veranstaltung nicht so gut besucht, wie man das von früheren gewöhnt war. Wahrscheinlich konnten die Ausgebliebenen nicht teilnehmen, weil sie sich gerade am PC ihren virtuellen Freunden widmeten. Schade. Sie haben einen interessanten und informativen Abend verpasst. Und konnte daher auch keines der Bücher gewinnen, die von der Bibliothek als Preise eines kleinen literarischen Ratespiels dankenswerterweise gestiftet worden waren. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.