Liebe Mitglieder der Theodor Fontane Gesellschaft,
fast scheint es im Augenblick, als bekäme das Virus Corona auf dem Neuruppiner Markt vor unserer Tür Konkurrenz durch die afrikanische Hitze, die sich auf alle Stände gelegt hat. Aber die Nachrichten aus Lissabon und das neu definierte Wort „Delta“ signalisieren Widerstand. Dennoch öffnen wir die Fenster weit und nutzen jede Möglichkeit, um im Grünen und in Wassernähe einen angenehmen Sommer zu suchen. Zu viel Anstrengung liegt hinter uns.
Sie haben Anspruch auf andere Informationen und ich die Freude, damit aufwarten zu können. Am vergangenen Wochenende (11./12.6.2021) fand in der Villa Quandt die Tagung „Zwischen den Linien. Theodor Fontane und der Deutsch-Französische Krieg 1870/71“ statt, und sie darf getrost als Erfolg gewertet werden. Vielleicht lag es neben dem Thema, das nach wie vor großen Forschungsbedarf hat, am produktiven Miteinander dreier Institutionen: Theodor-Fontane-Archiv, Institut für Germanistik der Universität Potsdam und Theodor Fontane Gesellschaft. Schon die Vorbereitungstreffen mit Herrn Prof. Dr. Iwan Michelangelo D’Aprile und Prof. Dr. Peer Trilcke waren, wenn Sie mir dieses persönliche Wort gestatten, eine Freude. Es gelang, Kolleginnen und Kollegen aus mehreren Ländern (Frankreich, Polen, Schweiz) real und digital um einen großen Arbeitstisch zu versammeln. Und alle Beteiligten öffneten ihre Taschen und was sie hervorzogen, trug entschieden zum besseren, zum vertiefenden Verständnis jenes Werkkomplexes Theodor Fontanes bei, der nach wie vor eine stiefmütterliche Existenz führt. Es war wunderbar zu sehen, wie die digitale Erschließung der Kriegsbücher Fontanes betrieben wird, es war verblüffend zu hören, wie diese Kriegsbücher im zeitgenössischen Kontext aufgenommen wurden und es erwies sich als verlockend, diese Texte Fontanes neben korrespondierende gelegt zu sehen. Ein Podiumsgespräch zwischen Eckart Conze (Marburg), Mareike König (Paris) und Regina Dieterle (Zürich), das Jens Bisky moderierte, war unbestritten ein Highlight der zwei Tage. Die gehegte Befürchtung, dass man mit diesem Gegenstand niemanden hinter dem Ofen hervor- resp. Interessenten in eine Zoom-Konferenz hineinlockt, erwies sich als unbegründet. Und wer glaubte, dass die Teilnehmerschar stumm das Geschehen verfolgt, musste sich eines Besseren belehren lassen.
Aber damit nicht genug. Wie Sie wissen, war unsere Gesellschaft auch beteiligt an der Jury, die darüber entschied, wer den hochdotierten Fontane-Literaturpreis der Fontanestadt Neuruppin und des Landes Brandenburg in diesem Jahr zugesprochen bekommt. Auf die Short-List kamen Anna Pritzkau (Fast ein neues Leben), Björn Stephan (Nur vom Weltraum aus ist die Erde blau), Olivia Wenzel (Tausend Serpentinen Angst) und Judith Zander (Johnny Ohneland). Mit wie viel Freude gingen wir in der Jury zur Sache! Alle sprühten vor Energie, ihre Vorschläge durchzubringen, und alle trugen die Entscheidung am Ende in Freundlichkeit mit. Über die Qualität der Preisträgerin Judith Zander war sich die Jury uneingeschränkt einig. Am 20. August wird in Neuruppin gefeiert, wir dürfen schon gespannt sein auf die Laudatio der Jury-Vorsitzenden Nadine Kreuzahler. Und endlich darf auch wieder ein bisschen und zurecht gefeiert werden.
Die Delta-Variante zu Beginn belegt: Unsere Entscheidung, auch in diesem Jahr noch einmal auf eine uneingeschränkt öffentliche Jahrestagung in Görlitz zu verzichten, war vernünftig. So schwer sie uns fiel, und so traurig sie war. Geht alles gut, werden wir wie im vergangenen Jahr mit Hilfe des Theodor Fontane Archivs und Leander Wattig unsere Jahresversammlung auf sachgerechte Weise als Zoom-Konferenz organisieren. Über die Zugangsmöglichkeiten informieren wir Sie rechtzeitig. Sie erinnern sich, dass wir im letzten Newsletter eine Idee ausgesprochen haben, die die schmerzliche Leerstelle vielleicht ein wenig füllt. Für alle Mitglieder unserer Gesellschaft, die an diesem Wochenende (17.-19.9.2021) auf eigene Faust nach Berlin kommen wollen, bieten wir kleinere Veranstaltungsinseln an – natürlich unter Berücksichtigung aller geltenden Hygieneregeln. Dafür sind der Samstag und der Sonntagvormittag vorgesehen. Folgende Angebote stehen: Das Ehepaar Henke öffnet seine Fontane-Welt in Berlin-Buch, Dr. Christiane Barz lädt die motorisierten unter Ihnen zu einer Führung durch ihre Günter De Bruyn-Ausstellung im Kunstspeicher Friedersdorf ein und ich könnte mit Ihnen durch das literarische Friedrichshagen spazieren. Vielleicht ergibt sich auch noch ein lehrreicher und unterhaltsamer Gang durch Berlin-Kreuzberg und eine wissensreich beplauderte Besichtigung des Schlosses Charlottenburg und seiner unmittelbaren Umgebung. Wir sind darauf angewiesen, dass Sie uns rechtzeitig ihr Interesse signalisieren und werden dann alles tun, das dieses Interesse befriedigt wird.
Zwei, drei Winzigkeiten zum Schluss: Das Zoom-Gespräch über den „Tunnel über der Spree“ mit dem Literaturhaus Deutsche Bibliothek Den Haag ging glücklich über die Bühne. Es lässt sich wohl im Netz auch noch im Nachgang ansehen und bringt eine Wiederbegegnung mit Hans Ester aus Nijmegen, den ältere Mitglieder unter Ihnen gewiss noch kennen. Wer sich schon immer einmal über „Fontane-Schulen in Neuruppin und Fontane im DDR-Deutschunterricht“ informieren wollte, kann das im Fontane Blog tun. Er/Sie wird bei dieser Gelegenheit entdecken, dass Maria Döring nicht nur kompetent in unserer Geschäftsstelle wirkt, sondern auch schreiben kann. Neben ihrem Beitrag warten dort weitere neue Artikel – und der Blog selbst, er wartet auf Ihr Mittun!
Die Sonne bewegt sich langsam in den Spätnachmittag hinein, Neuruppin rüstet sich für ein Grillwochenende mit langen Nächten am See und ich freue mich, dass ich auf dem Rückweg noch einmal an der nun seit 30 Jahren existierenden Fontane-Buchhandlung vorbei- und vielleicht hineingehen kann.
Ihnen einen guten Sommerbeginn und die herzliche Einladung, mit uns in bester Fontane-Verbindung zu bleiben.
Ihr
Roland Berbig.