Die „Briefe aus Berlin“ erscheinen in den „Mitteilungen“ der Fontane Gesellschaft und werden auf der Website ebenfalls zugänglich gemacht.
Von Georg Bartsch
Ende des 13. Jahrhunderts siedelten sich auf der Neuköllner Seite der Spree Dominikaner an und errichteten dort ein Kloster. Die Brüderstraße erinnert noch heute daran. Als Kurfürst Friedrich II. 1451 das neuerbaute Schloss auf der Spreeinsel bezog, wurde die Dominikanerkirche, die sich in unmittelbarer Nähe befand, mehr und mehr zur Hofkirche. Unter Kurfürst Joachim II. wurde das Dominikanerkonvent aufgelöst, die Kirche zur Domkirche erweitert und dem Apostel Paulus geweiht. Friedrich II. ließ die Kirche wegen Baufälligkeit abreißen und neben dem Lustgarten einen Dom bauen. Die Gruft der Kirche diente den Herrschern als Begräbnisstätte, wobei einige Särge bei der Umbettung von der ehemaligen Schlosskirche verloren gingen.
Architekten des Doms waren Johann Boumann der Ältere und Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Anfang des 19. Jahrhunderts gestaltete Karl Friedrich Schinkel diesen in dem für ihn so typischen Stil des modernen Klassizismus. Doch selbst dieser Bau hatte keinen Bestand. Keine hundert Jahre später wurde nach den Plänen von Julius Raschdorff der Dom im Stil der italienischen Hochrenaissance und des Barocks neu errichtet.
Zur freien Religionsausübung erhielten die Katholiken zunächst eine Kapelle in der Krausenstraße und dann unter Friedrich II. die Hedwigskirche hinter der Königlichen Oper. Oper und Hedwigskirche entstanden nach Entwürfen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Es dauerte nochmals mehr als hundert Jahre, bis sich erneut Dominikaner in Berlin ansiedeln konnten und zwar im von Arbeitern geprägten Bezirk Moabit. Hier wurde am 4. August 1869, dem Namenstag des heiligen Dominikus, eine Kapelle zu Ehren des Apostel Paulus eingeweiht. Dies stieß im protestantischen Berlin auf entschiedene Kritik und Unmut. Am 16. August wurde die Kirche bei Unruhen, dem „Moabiter Klostersturm“, beschädigt. Der Polizeipräsident legte den Dominikanern nahe, die Stadt zu verlassen. Doch diese ließen sich nicht einschüchtern.
Kurze Zeit später, im Deutsch-Französischen Krieg, wurden Verwundete von den Dominikanern betreut. Unter den Patres war der Prior Rouard, wie uns der Name verrät ein Franzose. Er musste deshalb in diesen Kriegszeiten Deutschland verlassen. Und hier lassen wir Theodor Fontane zu Wort kommen, der sich 1870 in französischer Kriegsgefangenschaft befand. Im Gefängnis in Guéret besucht ihn ein Geistlicher. Er kam vorwiegend, um mir mitzuteilen, dass er seit drei Monaten einen Berliner Gast auf seiner Pfarre beherberge: den Pater Rouard, Prior des Dominikanerklosters zu Moabit. Bei Ausbruch des Krieges habe derselbe Berlin verlassen, um nicht von Konfessions wegen bereits Erlebtes von Nationalitäts wegen noch einmal zu erleben. Wie gerne hätte ich ihn gesehen! In solchen Momenten wiegt nicht das, was trennt, sondern nur das, was verbindet. Aber es war zu spät. Ehe sich eine Annäherung ermöglichte, waren wir bereits auf dem Weg nach Poitiers.
Seine Ausbildung hatte Rouard in Paris erhalten. Während seines Theologiestudiums wurde er als einer der Besten seines Jahrgangs durch seine Oberen auserwählt, regelmäßig in der Pfarrei Saint-Sulpice Katechismusunterricht zu erteilen. Im Januar 1856 legte er sein Ordensgelübde ab und nahm aus Verehrung für Papst Pius IX. die Ordensnamen „Pius Maria“ an. Rouard wurde im Juni 1869 zum Generalvikar der deutschen Dominikaner ernannt und besuchte die Niederlassung in Berlin, wo er im August den „Moabiter Klostersturm“ miterlebte. Wie bereits erwähnt, musste Rouard Berlin 1870 verlassen. Im August 1877 starb er in Belgien am Vorabend des Dominikusfestes an einem Herzschlag.
Zurück nach Berlin, wo die Dominikaner im Jahr 1889 das Gebäude Reinhardtstr. 14 (damals Karlstr.) erhielten und dort das St. Maria-Viktoria-Krankenhaus eröffneten, in dem zeitweise mehr als 60 Dominikaner die Kranken versorgten. In den 1930er Jahren musste der Orden das Gebäude aufgeben. Nach dem 2. Weltkrieg zog der Bauernverlag ein, seit 1994 ist es die Bundesgeschäftsstelle der FDP. 1891 erhielten die Dominikaner die Erlaubnis zum Bau einer Kirche, die sowohl dem Kloster als auch der Moabiter Gemeinde als Gotteshaus diente, geweiht dem heiligen Paulus. Der Architekt Engelbert Seibertz entwarf einen Bau in Anlehnung an Formen der märkischen Backsteingotik. Etwas später kam die Randbebauung des Klosters zur Oldenburger Straße dazu.
Heute leben 8 Patres im Kloster und sind seelsorgerisch in Berlin tätig. Abends um 18 Uhr gibt es eine Vesper in der Kirche. Betritt man diese, verlässt man den Lärm der Großstadt.
Bedanken möchte ich mich bei Pater Michael, der mich durch das Kloster führte und mir das Bild von Rouard zur Verfügung stellte.