Fontane-Kreis Leipzig: Vortrag über Gleims und Fontanes preußische Heldenlieder

Text:  Matthias Grüne
Fotos: Petra Hesse

IMG_7045

IMG_8071Selbst vielen Literaturinteressierten dürfte sein Name heute kaum noch etwas sagen, dabei zählte Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803) zweifellos zu den prominentesten Köpfen im literarischen Leben des 18. Jahrhunderts. Seine Bedeutung erlangte er allerdings nicht allein durch seine Werke, sondern vor allem durch seine Fähigkeit zum, modern gesprochen, „social networking“: Mit fast allen Geistesgrößen seiner Zeit stand er in Kontakt, mit vielen von ihnen pflegte „Vater Gleim“, wie er respektvoll genannt wurde, eine intensive Freundschaft. Zu den literarischen Veröffentlichungen, die ihm Popularität einbrachten, zählen neben seinen anakreontischen Gedichten vor allem die „Preußischen Kriegslieder“, die Gleim zu Beginn des Siebenjährigen Krieges schrieb und in denen er seine glühende Begeisterung für den Preußenkönig Friedrich II. zum Ausdruck brachte. Und diese Gedichtsammlung ist es auch, die Jana Kittelmann in ihrem am 23. September in der Leipziger Stadtbibliothek gehaltenen Vortrag zur Grundlage genommen hat, den Beziehungen zwischen Fontane und dem ziemlich genau hundert Jahre älteren Literaten nachzugehen. Vorzüglich gelang es der Referentin dabei, die für den heutigen Leser der Gleim’schen Lieder mitunter schwer nachvollziehbare Kriegseuphorie – das Besingen etwa des in Strömen fließenden „Pandurenblutes“ – historisch und biographisch zu verorten und so verständlich zu machen. Dieser nüchterne Blick schuf die Basis für einen interessanten Vergleich mit Fontanes Gedichtsammlung „Männer und Helden: Acht preußische Heldenlieder“ (1850). In einer exemplarischen Analyse von Gleims „Siegeslied nach der Schlacht bey Prag“ und dem thematisch verwandten Fontane-Gedicht „Schwerin“ konnte Kittelmann aufzeigen, was die Helden- und Preußenverehrung in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der des 18. Jahrhunderts verbindet und wo sich Differenzen abzeichnen. Deutlich wurde dabei der Wandel von der kollektiven Identität, die Gleims Lieder zugleich inszenieren und stiften sollen, zu der individualisierenden Gestaltungsweise Fontanes, der kaum noch den globalen Kontext des Siebenjährigen Kriegs, dafür aber umso mehr den Charakter seiner ,Helden‘ zur Darstellung bringt. Insofern bot der Vortrag Kittelmanns nicht nur einen informativen Einblick in den literarischen und politischen Schaffenskreis eines heute fast vergessenen Aufklärers, sondern lieferte auch einen wertvollen Beitrag zum Verständnis von Fontanes Heldenlyrik.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.