Theodor Fontane an der Kieler Förde

Text: Rüdiger F. L. Fricke
Fotos: Philipp S. Fricke

Vom 21. bis 28. September 1878 weilten Theodor und Emilie Fontane auf einem Landsitz, der im heutigen Kieler Stadtteil Düsternbrook oberhalb des Ufers der Kieler Förde lag. Wie kam es zu diesem Besuch, und was hat es damit auf sich, dass auf dem Plateau, wo diese Villa stand, sich eine Informationsstele befindet, auf der ein Spaziergänger oder ein Wanderer Gedichtzeilen von Fontane lesen kann? Das Ehepaar Fontane befreundete sich 1874 mit dem Sänger Julius Stockhausen, geboren 1826, und dessen Ehefrau, Clara geborene Toberentz, Jahrgang 1842. Martha Fontane war sogar seit 1876 so etwas wie eine Haustochter bei den Stockhausens. Sie verliebte sich dabei mit sechzehn Jahren in Julius. Das belastete zwar für kurze Zeit die Freundschaft, aber es blieb bei der engen Beziehung zwischen den Ehepaaren. Für Stockhausens Sohn Johannes wurde Theodor Fontane neben Johannes Brahms Pate. Aufgrund der Freundschaft mit dem Ehepaar Stockhausen erhielten Theodor und Emilie eine Einladung des Hamburger Industriellen Heinrich Adolph Meyer zu einem Hausbesuch in dessen Villa im heutigen Kieler Stadtteil Düsternbrook. Meyers Ehefrau, Marie, geboren 1833, war nämlich Clara Stockhausens älteste Schwester. Der liberale und sozial eingestellte H.A. Meyer, geboren 1822, erzeugte sehr erfolgreich Produkte aus Elfen- und Fischbein. Beide Eheleute waren weltoffen, hilfsbereit, Neuem gegenüber aufgeschlossen und kunstverständig. Heinrich war außerdem zoologisch sehr interessiert, vor allem in Bezug auf Meerestiere, und betrieb als Autodidakt sehr enthusiastisch diesbezügliche Forschung, zusammen mit dem befreundeten Naturwissenschaftler Karl Möbius, geboren 1825, der als Mitbegründer der Meeresbiologie gilt und Professor in Kiel wurde.

Die diesbezüglichen Tiersammel- und Forschungsfahrten, für die Meyer eigens eine Jacht bauen ließ, machten die beiden von Kiel aus. Dort hatte Meyer nämlich von 1866 bis 1868 eine Villa hoch über der Kieler Förde in einer ehemaligen Fruchtbaumschule errichten lassen, das „Haus Forsteck“.

Dieser Landsitz wurde rasch der geistig-kulturelle Mittelpunkt des Raumes Kiel. Die Eheleute Meyer waren äußert gastfreundlich und beherbergten ihre Freunde und zahlreichen Verwandten oft tage- oder gar wochenlang. Berühmte Persönlichkeiten aus Kunst, Wissenschaft, Politik und Geistesleben waren unter diesen, z.B. die Pianistin Clara Schumann (1819 – 96), der Komponist Johannes Brahms (1833 – 97), der niederdeutsche Dichter Klaus Groth (1819 – 99) oder der deutschamerikanische Journalist und Staatsmann Carl Schurz (1829 – 1906), Bundessenator und von 1877 bis 1881 US-Innenminister, Ehemann von Maries jüngster Schwester.

Nach dem „Haus Forsteck“ fuhr also das Ehepaar Fontane. Am 11. September 1878 reiste es zunächst von Berlin nach Hamburg, dem Hauptwohnsitz der Gastgeber. Von dort fuhr Theodor mit Heinrich voraus, Emilie kam mit Marie nach. Vom 21. September an hielten sich beide Fontanes im „Haus Forsteck“ auf. Theodor traf dort häufiger mit Klaus Groth zusammen, der in Kiel wohnte, kam mit ihm ins Gespräch, zum Teil von anderen Personen ungestört, und besuchte mit ihm große Kriegsschiffe, die in Docks in Stand gesetzt wurden. Sein Dichterfreund Theodor Storm hatte ihm den niederdeutschen Schriftsteller zwanzig Jahre zuvor in Berlin ans Herz gelegt. Im November nach seinem Besuch im „Haus Forsteck“ berichtete Fontane ihm brieflich von seiner Begegnung mit Klaus Groth.

Von der Terrasse der Villa aus konnte Fontane eine berühmte Aussicht über die Kieler Förde zum gegenüberliegenden Ufer genießen, den sog. Hirschfeld-Blick, benannt nach dem Kieler  Gartentheoretiker Christian Cay Lorenz Hirschfeld (1742 – 1792), der die Obstbaumschule von 1781 angeregt hatte, auf deren Grund der Park des „Hauses Forsteck“ lag und sich heute der öffentlich zugängliche Diederichsenpark erstreckt, der seinen Namen nach dem letzten Eigentümer, H. Diederichsen, einem Kieler Kaufmann und Konsul, erhalten hat.

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Theodor Fontane konnte den sogenannten Hirschfeld-Blick genauso genießen wie wir heute.‘

So schön und gastlich es für Fontane im „Haus Forsteck“ auch war, so war es ihm schließlich doch zu viel des Guten: Die dicht gedrängten üppigen Mahlzeiten und Festlichkeiten sowie die bildungsbeladenen Veranstaltungen und Ausflüge wurden ihm zu anstrengend. Deshalb reisten er und Emilie früher als vorgesehen am 28. September heim. Letztlich überwogen an Erinnerungen jedoch die angenehmen. Das zeigt sein Gedicht Haus Forsteck vom 2. Oktober 1878, das er Marie und Adolf Meyer gewidmet hat.

Die beiden ersten Strophen dieses Gedichts stehen auf Anregung des Autors des vorliegenden Aufsatzes auf einer Informationsstele, die seit zwei Jahren im Diederichsenpark an das „Haus Forsteck“ erinnert, das 1944 zerbombt und später abgerissen wurde.

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Die Zeilen von Th. Fontane erinnern an seinen Aufenthalt im „Haus Forsteck“ im Jahre 1878.

Solch eine Stele ist in der Nähe auch Fontanes Dichterfreund Theodor Storm gewidmet. Sie steht neben einem Theodor-Storm-Gedenkstein im Düsternbrooker Gehölz, einem Wäldchen, das wie der Diederichsenpark auf dem westlichen Steilufer der Kieler Förde liegt. In unmittelbarer Nähe zu dieser Stele befand sich eine Waldschänke, die längst abgebrannt ist. Darin trafen sich gern Kieler Studenten zu Tanz, Gelagen oder Fechtkämpfen. Auch Theodor Storm besuchte dieses Wirtshaus in seiner Kieler Studienzeit hin und wieder. 1862/63 setzte er ihm mit seiner Novelle Auf der Universität ein Denkmal, indem er es zu einem wichtigen Handlungsort machte. Am 20. Dezember 1862 schrieb er Fontane über seine Arbeit an dieser Erzählung.

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Die Info-Stele erinnert an das „Haus Forsteck“

Die beiden Stelen mit Fotos und Texten zum „Haus Forsteck“ und zu Theodor Storm sind wichtige Bestandteile eines Rundgangs mit insgesamt siebzehn Stationen, dem die Landeshauptstadt Kiel den Namen „KulturSpuren Düsternbrook“ gegeben hat und der nach Orten der Erinnerung an berühmte Persönlichkeiten und historischen Schauplätzen führt. Zum Teil liegen die Spuren recht versteckt, wenn nicht gar verwunschen. Sie trotzdem zu finden und sich dabei nicht zu verlaufen, hilft seit einigen Monaten ein virtueller Rundgang, den das Kulturamt der Stadt gestaltet hat. Es können also nicht nur Besucher der Stadt Kiel, mit geeigneten Ausdrucken von Hintergrundinformationen, Bildern, genauen Wegbeschreibungen und Lageplänen in der Hand, Erinnerungsorte im Stadtteil Düsternbrook real aufsuchen, sondern alle Interessierten die „KulturSpuren“ auf www.kiel.de/kulturspuren nachvollziehen.

Viele Informationen für diesen Beitrag verdanke ich dem Kieler Autor Gerd Stolz und dessen Buch Heinrich Adolph Meyer und sein „Haus Forsteck“ in Kiel, Husum 2004, das ich sehr zur Lektüre empfehle.

One comment

  1. M. Petersen says:

    Wenn Sie mehr über die Villa Forsteck wissen wollen, empfehle ich Ihnen,
    Heinrich und Thea Diederichsen und der Diederichsenpark von
    Kai Detlef Sievers zu lesen. Herausgegeben von der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Band 82, Heft 3. Diederichsens haben die Villa Forsteck 1893 von A.H. Meyer gekauft und bis zu ihrem Tode 1941 und 1942 besessen.
    Hier erfahren Sie auch , warum Sie überhaupt in dem Diederichsenpark eine Stele aufstellen konnten, auf der das Gedicht von Th. Fontane u.a. steht . Warum wurden nur die Eheleute Meyer erwähnt? Ehepaar Diederichsen hat sich große Verdienste in der Stadt Kiel erworben.
    Leider bin ich erst heute , 05.08.2024, auf Ihren Artikel gestoßen.
    Mit freundlichen Grüßen
    M. Petersen

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