Fontane-Kreis Leipzig: Vortrag von Prof. Dr. Hubertus Fischer: „Warte, Bonaparte, warte …“ – Fontane und die Völkerschlacht

Text: Uta Beyer
Foto: Monika Stoye

Zum Vortrag „Warte,
Bonaparte, warte …“ – Fontane und die Völkerschlacht
des
Fontane-Kreises Leipzig am 10. April 2013, den der Gastredner Prof. Dr. Hubertus
Fischer (Berlin) als „Avant­garde“ zum Jubiläumsjahr der Völkerschlacht bei
Leipzig im Oktober 1813 eingangs bezeichnete, konnte ein weites Publikum von
Monika Stoye begrüßt werden, das zum Teil eigens aus Chemnitz und
Halle angereist war.

Hubertus FischerIn seinem Referat blickte Prof. Fischer auf die divergierende
Auffassung Theodor Fontanes zum Ereignis des sogenannten Befreiungskrieges, den
er an der Lyrik und am Romanwerk exemplifizierte, sowie aus den Wande­rungen herauslas und an
Privatbriefen des Autors, z.B. an den Lebensfreund von Lepel, aufzeigen konnte.
Fontanes Werk habe sich zwischen Vormärz und Jahrhundertwende über die Thematik
in einer unerwarteten Weise entfaltet, die eine mythologisch verklärte
Geschichtsschreibung in der Klarheit und diffe­renzierten Betrachtung der
Geschehnisse schlussendlich offenbare.

Im kollektiven Gedächtnis werde die Völkerschlacht als emanzipativer
Akt des nach Freiheit heischenden Volkes verinnerlicht. Die
Nationalbegeisterung sei durch die geschichts­politische Mythologisierung im
Kampf um die Erbschaft Napoleons bewirkt worden und verfestige sich am
Erinnerungsort der Entscheidungsschlacht bei Leipzig im Jahr 1813.
Freiheitsphrasen haben sich die Mittel der Wirklichkeitsverfremdung zur
nationalen Verfestigung revolutionären Volksgeistes zu ihrer Sache
instrumentalisiert und preußisch-patriotisch gewendet.

Die Revision der Schlacht, die zuletzt im Stechlin (1899) aufscheint, habe zur Wandlung des Blickes Fontanes
auf die Legendenschreibung geführt, die er zuvor in der Position des
konservativen Kreuzzei­tungskorrespondenten mitgetragen habe. In der Näherung
des Epochenwandels ändere sich auch die Sicht­weise des Schriftstellers auf den
dramatisch erhöhten Volkskriegsmythos, den er in Meine Kinderjah­re (1893)
mit inneren Widersprüchen verschränkt und als lebensgeschichtlich
unaufgearbeitete „Ge­fühlsgänge“ (Fischer) zu bewältigen sucht.

Anhand auch weniger bekannter und unveröffentlichter Gedichte, die
nicht als Erinnerungs­verse, sondern als balladeske Mahnstrophen zu lesen seien
(z.B. In der Markkleeberger Schenke.
In: Die Eisenbahn, 1841.), markierte
der Vortragende Fontanes widerstreben­des Inneres als Entwicklung eines
Dichterdenkens und einer Menschenpersönlichkeit, die der Referent mit den
literarisch anverwandelten Bildbrüchen und Veränderungen der skeptischen
Ansichten eines Geschichtskritikers zur fünfzigjährigen Wiederkehr der
Völkerschlacht verband, die mit der e c h t aufständischen Erhebung des polnischen Volkes (Januaraufstand
1863/64) im feierlichen Akt der nationalen Selbstüberhöhung doppelsinnig
zusammenfällt.

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