Text: Uta Beyer
Am Abend des 29. September 2011 hat der Fontanekreis Leipzig zum Vortrag von Professor Roland Berbig in die Stadtbibliothek der Südvorstadt eingeladen und konnte sich über ein treues Fontanepublikum aus Leipzig sowie über Gäste aus Dresden, Halle und Walbeck freuen.
Nachdem die Vorsitzende des Leipziger Kreises, Monika Stoye, die Begrüßung sowohl der Vortragsgäste als auch des Vortragenden übernommen, mit einer kurzen Vorstellung von Roland Berbig verbunden und dabei einige seiner Forschungsprojekte – so die Herausgabe der Theodor-Fontane-Chronik (2010) – herausgegriffen hatte, inszenierte der Referent eine geistige Rundschau durch die Galerie der Förderer und Freunde Theodor Fontanes unter dem Titel „Fontanes Gönnergalerie. Ein typologischer Streifzug von MacDonald über Franz Kugler bis Heinrich von Mühler“.
Berbig skizzierte zunächst das Ende des klassischen Mäzenatentums, das einen literarischen Markt eröffnet habe, auf dem sich die Autoren des 19. Jahrhunderts zu bewähren hatten. Gleichsam erschienen weiterhin sogenannte moderne Mäzene im Literaturbetrieb, die als (literarische) Gönner für Schriftsteller mehr oder weniger umfassend gewirkt und deren Werke vermittelt und medial beworben haben (Gönnerinnen und Autorinnen sind hier stets mitgemeint). Die angenommene Dankbarkeit Schutzbefohlener widerspiegelte sich vielfach in den mit dem jeweiligen Förderer geführten Korrespondenzen, die üblicherweise mit Anreden wie „Hochverehrter Freund, sehr verehrter Gönner“ eingeleitet wurden. Die damals modische Charakterisierung als Gönner beinhaltete demzufolge keine einfache Geschäftsbeziehung, sondern kennzeichnete darüber hinausgehend eine komplexe, vielfach freundschaftliche Verbindung zwischen dem Mentor und seinem Stifter, die auch als Wohltäterschaft oder Protektorat ihre Funktion verrät.
In Meine Kinderjahre erinnert sich Theodor Fontane an seinen ersten Gönner, den schottischen Ingenieur MacDonald, der den Gönnerreigen des Autors eröffnet habe, und dem Berbig in seinem Vortrag einen in die Fontanesche Vergangenheit gerichteten Denkraum einrichtete, den er als Gönnergalerie bezeichnete. Für diese virtuelle Ausstellung entwickelte der Referent einen chronologischen Wegweiser mit systematischen Querverweisen und biographischen Zwischeninformationen, um am Ende seines Beitrags eine Typologie als Gesamtschau der vorgestellten Fontanegönner rückblickend zu entwerfen.
Im Rahmen des gedachten Spaziergangs stellte der Vortragende einzelne Gönner Fontanes vor, skizzierte deren Person und differenzierte ihre Beziehung zu dem Berliner Balladendichter, sodass die Zuhörenden Bekanntschaft machen konnten mit dem Apothekerehepaar Neubert und mit Christian Friedrich Adler, den Fontane als klugen und lauteren Charakter definiert, der gleichermaßen von Alkoholsucht gezeichnet und in Folge davon ins Delirium verfallen sei. Berbig fuhr fort und stellte den Schauspieler und späteren königlichen Hofvorleser Louis Schneider dem Publikum vor, der sich Berlin und Potsdam als Regionalverehrer und Dokumentar verpflichtet gefühlt habe. Von seinem nachhaltigen Einfluss in der Metropole Berlin konnte Fontane insbesondere als Mitglied des Vereins „Tunnel über der Spree“ profitieren, denn der Herausgeber der Zeitschrift Der Soldaten-Freund lobte und empfahl den Tunneldichter mit besonderem Nachdruck der Berliner Leserschaft. Den als konservativ beschriebenen Schneider habe der Protegé nichtsdestotrotz als unsympathisch im Gedächtnis behalten.
Die zusammengestellte Ahnengalerie der Gönner zeigte weiter das Ehepaar Wilhelm und Henriette von Merckel, die dem Autor ohne Standesdünkel und mit seltener Humanität eine umfassende Förderung zugeeignet, sich aber gleichfalls als konservativ ausgezeichnet haben.
Daraufhin betrachtete der Referent schlaglichtartig Bernhard von Lepel, Wilhelm Wolfsohn und Friedrich Eggers, die allesamt als gönnerhafte (Brief-)Freunde die Laufbahn des Romanciers dauerhaft begleitet und vielgestaltig unterstützt hatten.
Franz Kugler erschien als nächster Protektor in der Rückschau, der Fontane in höhere Kreise verhalf, zu denen der Autor ansonsten allein seine Dichtung als Entreebillet vorzuweisen gehabt hätte.
Das „gnädige Fräulein“ Mathilde von Rohr hebt Fontane in seinen Erinnerungen besonders aus der Riege seiner Förderer hervor, denn sie habe ihn mit Liebe und Güte beschützt und sich in einzigartiger Weise verlässlich und als „Entsorgungsinstanz“ für vielfältige (seelische) Nöte und Probleme bewährt, und oft schon vor Emilie Fontane über spontane Lebenswegkorrekturen ihres Mannes Bescheid gewusst.
Für seinen schriftstellerischen Werdegang hatten Fontane immer wieder märkisch-adlige Frauen etabliert, indem sie Bitt- und Empfehlungsbriefe für ihren Schützling schrieben, während es Heinrich von Mühler, der dem Schriftsteller durch alle Wandlungen hindurch zugetan geblieben war, sogar gelingen konnte, dass das preußische Staatsministerium die Wanderungen teilweise bezuschusst hatte.
Am Ende des Rundgangs durch die Gönnergalerie Theodor Fontanes unterschied Berbig gemeinsame Motive von unterschiedlichen Anlässen, den Dichter gefördert zu haben: Während einerseits das Poetische die Verbindungslinie zwischen Stifter und Stipendiat geschaffen habe und somit soziale Differenz vermitteln konnte, waren andererseits sachliche Gründe ausschlaggebend, den heimatländisch-repräsentativen Autor zu managen. Diese ambivalenten Ursachen aus heutiger Zeit betrachtend, warf Berbig die Frage auf, ob das aktuelle Wissen um die politische Haltung und grundsätzliche Lebenseinstellung einzelner Protektoren deren Gönnertum im Nachhinein schmälert. Schließlich aber hielt er fest, dass die Geber und Beschützer im weitesten Sinne als Karrierehelfer fungiert haben, als Lektoren tätig waren, als Vermittler und Sponsoren wirken konnten, sodass sich eine Typologie aus den in der Gönnergalerie auswahlweise betrachteten Personen ableiten lässt, die als Mischtyp kategorisiert werden kann, wenn Edelsinn, Freundschaft und Güte, Einfluss und Macht einander ergänzt und in der Gesamtheit eine multiple Gönnerschaft erzeugt haben.
Berbig beendete seinen Vortrag mit der offenen Frage nach Fontanes Tätigkeit als Gönner. Dafür verwies er auf eine Vielzahl von Briefen, die der bekannte Autor für andere Dichter verfasste und in denen er – sofern er das Amt des Gönners ungern bekleidete – die Gönnerrolle zumindest „wacker spielen“ konnte: In seinen Empfehlungen habe Theodor Fontane darum gebeten, dem jeweils zu beurteilenden Text ein freundliches Auge wenigstens zu gönnen.