Fontane-Kreis Leipzig: Wald und weites Feld – Zur literarischen Verwandtschaft von Berthold Auerbach und Theodor Fontane

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Text: Matthias Grüne
Fotos: Petra Hesse

Im März 1878 erscheint in der Beilage zur Vossischen Zeitung eine Rezension von Berthold Auerbachs einaktigem Lustspiel Das erlösende Wort. Ihr Autor, Theodor Fontane, lässt keine Zweifel daran, was er von dem Stück hält: „Das ist nichts!“ Vernichtender kann das Urteil kaum ausfallen. Auerbach ist tief getroffen, zumal er viel auf Fontanes Wort gibt. Es ist wohl der Tiefpunkt in der Beziehung zwischen den beiden Autoren. Aber sind es grundsätzliche künstlerische Differenzen, die sich in diesem Urteil niederschlagen? Wie nah oder fern standen sich Fontane und Auerbach überhaupt? Und welche Verbindungen und Verwandtschaftsbezüge offenbaren ihre literarischen Werke?

Mit diesen Fragen beschäftigte sich Jana Kittelmann (Halle) in ihrem ebenso aufschlussreichen wie unterhaltsamen Vortrag  „Wald und weites Feld – Zur literarischen Verwandtschaft von Berthold Auerbach und Theodor Fontane“, der am 30. November 2016 in der Stadtbibliothek Leipzig zu hören war. Mit großer Sachkenntnis spürte die Referentin den biografischen und literarischen Bezügen zwischen den beiden Autoren nach. Überschneidungen gibt es dabei durchaus. Sowohl Fontane als auch Auerbach kommt das Verdienst zu, eine Region und Landschaft literarisch erschlossen zu haben: Für Auerbach ist der Schwarzwald, was die Mark für Fontane ist. Und doch scheinen die Autoren sich in mancher Beziehung sehr fern zu stehen. Allein ihre werkbiografische Entwicklung geht diametral auseinander. Mit seinen Schwarzwälder Dorfgeschichten wird Auerbach bereits als 30-Jähriger zu einer Berühmtheit, doch überschattet dieser über den deutschen Sprachraum reichende Erfolg zugleich sein gesamtes Werk. Im kollektiven Gedächtnis bleibt er immer der Autor der Dorfgeschichten, seine späteren Texte und vor allem seine dramatischen Versuche bleiben, wie nicht zuletzt Fontanes Rezension beweist, dahinter weit zurück. Bei Fontane ist die Entwicklung genau entgegengesetzt, und während Auerbachs Berühmtheit nach seinem Tod rasch verblasst, avanciert Fontane posthum zum wichtigsten Vertreter des deutschen Realismus.

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Dass sich die Beschäftigung mit Auerbachs Werk dessen ungeachtet weiterhin lohnt, zeigte Kittelmann besonders im zweiten Teil ihres Vortrags. Dieser widmete sich einem Motiv, das die Werke beider Autoren – wie überhaupt die gesamte Literatur des 19. Jahrhunderts – durchzieht: die Figur des Försters. In Fontanes Werk ist dies, abgesehen vom Roman Quitt, vielleicht nicht so offensichtlich. Doch die Referentin wies am Beispiel von Cécile darauf hin, dass auch an andere Stellen die Figur des Försters bei Fontane auftaucht und eine Auseinandersetzung mit forstwissenschaftlichen Themen stattfindet. Der ent-romantisierende, wissenschaftliche Blick auf den Försterberuf prägt aber auch und im Grunde sogar in stärkerem Maß die Texte Auerbachs, etwa den Roman Der Forstmeister von 1879. Auerbach thematisiert darin, wie Kittelmann betonte, neben forstwissenschaftlichen auch ökologische Fragen. Dieses thematische Interesse sucht man im Werk Fontanes wohl vergebens. Ein Grund mehr, sich wieder ausführlicher mit dem literarischen und außerliterarischen Wirken seines ehemals berühmten, aber heute nur noch wenig beachteten Zeitgenossen zu beschäftigen.

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