Fontane-Kreis Zeuthen: Dr. Gotthard Erler zum Ehrenmitglied ernannt

Text:  Kurt Jotka  

Rund 60 Zuhörer begrüßte Dr. Hans-Jürgen
Mende am 7. September im DESY Zeuthen zu einem Nachmittag zu
Ehren Dr. Gotthard Erlers – knapp
drei Monate nach dessen 80. Geburtstag, zu dem ihm auch seine Zeuthener
Verehrer beglückwünscht und eine gerahmte Fontane-Graphik Armin Mueller-Stahls
geschenkt hatten. Einleitend umriss Herr Mende den beruflichen Werdegang des Jubilars von dessen
Studium der Germanistik zum Editor von Werken der Weltliteratur (Heine, Goethe,
Heinrich Mann) und schließlich zum versierten, seit langem auch international
geschätzten Fontaneforscher und -verleger.

Dann plauderte Herr Erler selbst in seiner bekannt
unterhaltsamen Weise über Erlebnisse, Episoden seines Herausgeberlebens.
Dazwischen las Frau Franziska Junge, Gotthard und Therese Erlers Enkeltochter –
sie war eigens zu diesem Zweck aus München angereist – prägnant Anekdoten und
Briefstellen Theodor Fontanes, auch einige Auszüge aus Schriften ihres
Großvaters.

Den Schlusspunkt setzte Dr. Joachim
Kleine mit einer Lobrede auf die 30 Jahre währende
vielfältige Förderung der Zeuthener Bemühungen durch Gotthard
Erler und trug ihn im Auftrag der Leitung die Ehrenmitgliedschaft
im Fontane-Kreis an. Gotthard Erler,
sichtlich bewegt, nahm dieses Zeichen der Sympathie und der Wertschätzung
seines „Lebens für Fontane“ an. Herzlicher Beifall dankte ihm, mehr als ein
Dutzend seines jüngsten, von Wolfgang Stapp preiswert verlegten Buches „Hinterm
Berg wohnen auch Leute“ wurden gekauft und vom Autor signiert. Heiter, wie er
begonnen hatte, klang der schöne Septembertag aus.

 

Gotthard_Erler_(1993)_by_Guenter_Prust
Dr. Gotthard Erler (1993)

 

Lobrede zur Berufung Dr. Gotthard Erlers zum Ehrenmitglied des
Fontane-Kreises Zeuthen
– von Dr. Joachim Kleine

Lieber
Gotthard!

Mit
einer gewissen Naturnotwendigkeit hat uns einst das Bestreben, Theodor Fontanes
Verhältnis zum Spreeland hier auf Hankels Ablage ein Denkmal zu setzen, zu Dir
hingeführt. In der Fontane-Edition der DDR war der Aufbau-Verlag nun mal
die erste Adresse. Also wandte ich mich auf der Suche nach kompetenten und
potenten Partnern auch an ihn und bat in einem noch recht förmlichen Brief –
soweit noch greifbar – um Bücher der berühmten Aufbau-Fontane-Ausgabe. Das war am 2. August 1983. Es
dauerte nicht lange, da ließ uns Frau Thoma – damals Leiterin der Vertriebsabteilung
– mit freundlichem Gruße wissen: zunächst einmal habe Herr Dr. Erler veranlasst,
vier Bände der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ auf den Weg nach Zeuthen zu bringen. In der
Volksbuchhandlung Königs Wusterhausen könnten sie abgeholt werden.

Dass wir
das später mal einen „Urknall“ nennen würden – wer hätte es gedacht? Denn es
dauerte noch eine ganze Weile, bis wir Dich selber zu Gesicht bekamen. Erst
zweieinhalb Jahre später erschienst Du, um uns den von Dir gerade herausgebrachten
Familienbriefwechsel der Fontanes mit den Merckels vorzustellen – Zeugnisse von
schlüsselhafter Bedeutung für das Verständnis der schwierigen Anfänge des Schriftstellers
Fontane und seiner jungen Familie; denn da suchte er noch nach seiner
Bestimmung, litt Not und seine Frau war oft am Verzweifeln. Gleich
Dein erster Auftritt hier geriet zu einem markanten Ereignis und wurde hinsichtlich
seines geistigen Anspruchs richtungweisend für uns. Eigentlich war es ja ein
Thema für „Fortgeschrittene“, das Du uns da zugemutet hattest. Doch mir steht
noch immer lebhaft vor Augen, mit welch heiterer Gelassenheit Du uns „blutigen
Laien“ das Mysterium erklärtest, wie es zwischen einem eben noch radikal-demokratisch
gesonnenen Gelegenheitsdichter und Publizisten und dem politisch reaktionären
preußischen Adelsspross und Ministerialbeamten Wilhelm von Merckel – bald mehr
noch zwischen den Gattinnen beider – zu einer familiären Nähe kommen konnte,
die für die Fontanes überlebenswichtig wurde. Dies
gehöre eben, sagtest Du damals, zu den „Unwägbarkeiten in Geschichte und
menschlichen Bindungen über Klassenschranken und Standesunterschiede hinweg“. So etwas zu bekennen, war damals nicht ganz
selbstverständlich im zweiten deutschen Teilstaat. Doch es gewann Dir sofort
die Herzen Deiner Zuhörer – ob aller, weiß ich nicht und hielt es nicht für
wichtig. Was für mich zählte, war Dein Stil selbständigen, realistischen
Urteilens, der sich da geltend machte und den Erwartungen der meisten von uns
entgegen kam.

Angetan
von dem vollen Saal und der Neugier des Publikums, fandest auch Du Gefallen an uns, und Zeuthen wurde für
Dich bald zu einer bevorzugten Adresse. Mit der Zeit luden nicht nur wir Dich
zu Deinen von Mal zu Mal beliebter werdenden Fontane-Plaudereien ein: Du selbst botest sie nun an, und keine Fontane-Neuheit
erschien fortan bei Aufbau, die Du nicht auch hier – ja oft in Zeuthen zuerst –
vorstelltest. Wir haben hier auf dem Tisch mehr als 20 solcher Werktitel
ausgebreitet, es sind nicht alle, aber doch die markantesten Zeugnisse Deiner
Zuwendung. Sie reichen von den schon erwähnten, inzwischen arg zerfledderten
vier Wanderungsbänden über die von Dir angeregten und erarbeiteten
illustrierten Auswahlbände aus den „Wanderungen“ – darunter die zweibändige
Auswahl im Schuber von 1988, die man damals in Leipzig zum „Schönsten Buch des
Jahres“ gekürt hatte. Dann gehört dazu die bis heute unübertroffne dreibändige
Fontane-Gedichtausgabe Deiner Weimarer Kollegin Anita Golz von 1989, und
natürlich der dreibändige Ehebriefwechsel der Fontanes, von Dir und Deiner Frau
Therese 1993 schon im schönen Gewand der GBFA vorgelegt, dazu 2002 die
Emilie-Biographie – beides Aufsehen erregende Neuheiten in Fontaneforschung und
-edition. So
setzte sich das Jahr für Jahr fort bis zu Deiner jüngsten Schöpfung: der Anthologie Deines Lebens für Theodor
Fontane.

Dazwischen
markierten kaum zu zählende Vorträge, Lesungen und Gespräche – auch mit
Schülern – zu einzelnen Romanen, Erzählungen und anderer Genres Fontanescher
Wortkunst Deine Spur, nicht zuletzt Deine Funde auf dem schier unerschöpflichen
Feld der „Fontane-und-und-und-Thematik“. Mit jedem dieser Angebote öffnetest Du
uns eine weitere Pforte in bislang nicht oder kaum gekanntes Leseland.

Nie
werden wir Dir vergessen, wie überraschend Du uns im Mai 1989 Frau Prof. Jolles
zuführtest, die liebenswerte Fontaneforscherin aus London, die uns bis zu ihrem
Tode freundlich verbunden blieb – und deren „Leben für Fontane“ Du uns 2009 in
Gestalt der  zusammen mit Helen Chambers
besorgten Auswahl von Reden und Schriften der hoch verdienten Nestorin
zeitgenössischer Fontanistik ans Herz
legtest.

Nach und
nach ermuntertest Du uns zu selbst gestalteten (oder mitgestalteten) Darbietungen
und wusstest sie mit hilfreichen Hinweisen zu begleiten. Das begann mit dem
Fontane-Heyse-Briefwechsel, der – von Dir moderiert – 1991 auch bei der 1. Jahrestagung der
Fontane Gesellschaft in Gildenhall großen Anklang fand. Beinahe
wie von selbst wuchs im Verlaufe konstruktiven Zusammenwirkens ein offenherziges
Vertrauensverhältnis zwischen uns, das Kritik und Meinungsstreit einschloss. Dass
es da durchaus auch bei Meinungsverschiedenheiten bleiben konnte, charakterisiert unsere Beziehungen
zueinander als fontanisch tolerant: „Man kann es so machen und auch so.“

Lieber
Gotthard! Zu den Eigenheiten, die wir an Dir schätzen lernten, gehörte ein
ausgeprägter Zug von Bescheidenheit in Deinem Wesen. Die Aufmerksamkeit und
Zuneigung, das Mitgehen Deiner Hörer und Leser waren Dir stets das wichtigste
Honorar für Dein Bemühen. Das haben wir dankbar beobachtet, und es ist uns nicht
selbstverständlich geworden. Heute ermutigt es uns, Dir angesichts Deiner 80 Jahre
als Zeichen unserer Sympathie und unseres großen Respekts vor Deiner
Lebensleistung die Ehrenmitgliedschaft im Zeuthener Fontane-Kreis anzutragen.
Das Besondere dieser Anerkennung liegt in ihrem ideellen Wert, in dem Geist
wechselseitiger Wertschätzung, der sie trägt. Neue Pflichten erwachsen Dir
daraus nicht – auch wenn wir Dich nun zu unseren Leitungsberatungen einladen
und uns über Deine gelegentliche Teilnahme daran, Deine Ratschläge und
Empfehlungen freuen werden.

Gemessen
an den Würdigungen, die Dir diesen Sommer über schon zuteil wurden, mag Dir unsere Geste vielleicht wie ein bloßes
Sahnehäubchen auf der Geburtstagstorte erscheinen. Doch dieses „Häubchen“ ist eigens
für Dich zubereitet worden und kommt von Herzen.

Im Namen
unserer Leitung und aller, die hier versammelt sind, danke ich Dir aufs herzlichste für die vielen schönen Jahre der
Gemeinsamkeit! Mögen sie sich noch lange fortsetzen!

-.-.-

 

Foto: Günter Prust, CC-Lizenz (BY)

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