Text: Uta Beyer
Foto: Roland Friedel
Zur szenischen Lesung des
„Briefwechsels zwischen Friedrich II. und Voltaire“ lud am Abend des 10.
Oktober der Fontane-Kreis Leipzig in die Bibliothek „Walter Hofmann“ ein.
Die Vorsitzende des Leipziger
Fontane-Kreises, Monika Stoye, eröffnete die Veranstaltung mit der unter
Applaus des Publikums begleiteten Verabschiedung aus der Südvorstadt-Bibliothek,
die dem Fontane-Kreis zwei Jahre lang als Interim gegolten hat. Zehn Lesungen
und wissenschaftliche Vorträge konnten unter der freundlichen Gastgeberschaft
der Bibliotheksmitarbeiterinnen veranstaltet werden, bevor die demnächst wiedereröffnete
Stadtbibliothek den Leipziger Verein zur Rückkehr in ihren Vortragssaal bewegen
wird.
Anlässlich der 300.
Wiederkehr des Geburtstages Friedrichs des Großen, dessen Jubiläum in
zahlreichen Ausstellungen begangen und von diversen Literaturerscheinungen in
diesem Jahr begleitet wird, erhält der zwischen
dem Preußenkönig und Voltaire geführte Briefwechsel, der sowohl „eine
persönliche Sicht auf den König und seinen Briefpartner erlaubt“ als auch „einen
Blick auf den variabel interpretierbaren Begriff ,Freundschaft’ vermittelt“,
wie die Pressemeldung ankündigt, neue Aufmerksamkeit.
Für die Veranstaltung in Leipzig konnte
der Fontanekreis den ehemaligen Rundfunksprecher Roland Friedel (NDR, MDR) und
den Leipziger Schauspieler und Regisseur Larsen Sechert (Knalltheater) alias
Voltaire (1694 – 1778) und Friedrich II. (1712 – 1786) für eine szenisch
ausgestaltete Lesestunde gewinnen. In deren Erzählrahmen wurden die Anwesenden
in die Zeit der Aufklärung des 18. Jahrhunderts zurückversetzt und sind so
einer widersprüchlichen Brieffreundschaft mittelbar teilhaftig geworden. Eine
Auswahl aus 42 Jahren Briefwechsel zwischen dem philosophischen Monarchen und
dem fast zwanzig Jahre älteren französischen Denker wurde in dialogischem
Wechsel verlesen, wodurch Friedel und Sechert einen kammerspielartigen
Schauplatz für die intime und zwiespältige Beziehung zwischen dem Feldherrn und
dem Geistesmenschen entwerfen konnten, die über joviale Huldigungsbriefe ab August
1736 hinausführt und in deren Verlauf sich eine ,echte’ Korrespondenz der Toleranz
entwickelt: In den Briefschreiben verhandeln die Freunde ebenso versöhnlich Charakterstreitigkeiten
wie sie einen freimütigen Austausch über naturwissenschaftliche Forschungen pflegen,
denen beide mit welterkennerischer Neugier verbunden waren.
Erstmalig begegnen sich die Persönlichkeiten im Jahr 1740, später wird
Voltaire ins Amt Friedrichs berufen, um sich 1753 von barocker Hofartigkeit und
gleichbleibender Ödnis ernüchtert abzuwenden. Voltaire und der Alte Fritz sehen
sich nie wieder, der Schriftverkehr aber wird bis in Voltaires Todesjahr aufrechterhalten.
Die prägsame Verbindung, die in dem berühmten Briefwechsel überliefert ist, erweist
sich in der unmittelbaren Begegnung als eine ungleiche Partie zwischen Herrschaft
und Geistesfreiheit. Eine Illusion war diese Freundschaft sicher nicht, dafür
eine merkwürdige Liaison.