Fontane-Kreis Leipzig: Karl Friedrich Schinkels Reisen nach Italien – theatrales Schreiben zwischen Bild und Schrift

Text: Matthias Grüne
Foto: Petra Hesse

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Seine Wertschätzung für Karl Friedrich Schinkel hätte Fontane kaum besser zum Ausdruck bringen können als über den Vergleich mit dem, alten Zieten‘, immerhin einer seiner Lieblingsfiguren der preußischen Geschichte. Beide ,Ruppiner‘ sind auf ihre Weise bedeutend, hält Fontane in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg fest, aber die Größe des Architekten überragt doch die des populären Reitergenerals aus der Zeit Friedrichs II.: „Unter allen bedeutenden Männern, die Ruppin, Stadt wie Grafschaft, hervorgebracht, ist Karl Friedrich Schinkel der bedeutendste. Der ,alte Zieten‘ übertrifft ihn freilich an Popularität, aber die Popularität eines Mannes ist nicht immer ein Kriterium für seine Bedeutung. Diese resultiert vielmehr aus seiner reformatorischen Macht, aus dem Einfluss, den sein Leben für die Gesamtheit gewonnen hat und diesen Maßstab angelegt, kann der ,Vater unsrer Husaren‘ neben dem ,Schöpfer unsrer Baukunst‘ nicht bestehen.“

Bei aller Verherrlichung des Militärischen, von der man Fontane nicht ganz freisprechen kann, weist er doch an dieser Stelle dem Künstler, zumindest diesem Künstler, den höheren Rang zu: „Wäre Zieten nie geboren, so besäßen wir (was freilich nicht unterschätzt werden soll) eine volkstümliche Figur weniger, wäre Schinkel nie geboren, so gebräch’ es unserer immerhin eigenartigen künstlerischen Entwicklung an ihrem wesentlichsten Moment.“ Fontane widmet dem Künstler zwar kein Gedicht wie dem, alten Zieten‘, dafür aber eine umfassende biografische Darstellung im Rahmen seiner Wanderungen, die eine profunde Kenntnis von Schinkels Gesamtwerk bezeugt; Anlass genug, sich einmal ausführlicher mit diesem Werk zu beschäftigen.

Aus diesem Grund stand in dem Vortrag, zu dem der Fontane-Kreis Leipzig am 5. April 2017 in die Stadtbibliothek Leipzig geladen hatte, einmal eine andere Neuruppiner Berühmtheit im Vordergrund als gewöhnlich. Die Referentin, Andrea Hensel, näherte sich dem Werk Schinkels interessanterweise nicht aus kunst- oder architekturgeschichtlicher, sondern aus theaterwissenschaftlicher Perspektive. Der prägnante biografische Überblick, der ihren Vortrag einleitete, vermittelte einen guten Eindruck von der Spannweite und Vielgestaltigkeit, die Schinkels künstlerisches Schaffen auszeichneten. Die Forschung hat sich, um diesen ungeheuren Reichtum an Ausdrucksformen zu ordnen, oft mit einfachen Kategorisierungen beholfen und das Gesamtwerk nach Künsten (Malerei, Architektur) oder nach Epochenstilen (Klassik, Romantik) aufgeteilt. Hensel ging in ihrem Vortrag einen anderen Weg, indem sie Schinkels Arbeiten unter dem Aspekt ihrer immanenten Theatralität integrativ zusammenfasste.

Im Mittelpunkt standen dabei die Skizzen und Tagebuchaufzeichnungen, die Schinkel während seiner ersten Italienreise von 1803 bis 1805 anfertigte. Anhand zweier geschickt gewählter Beispiele, der Ankunft im Hafen von Messina und der Besteigung des Ätna, konnte Hensel ihren Ansatz überzeugend darstellen. In beiden Fällen lässt sich gut beobachten, mit welchem Geschick Schinkel seine zunächst angefertigten kurzen Beschreibungen und flüchtigen Skizzen nachträglich in eindrucksvolle, symbolisch verdichtete Szenen umarbeitet. Die verdoppelte Perspektive, die sich aus den en plein air und mit geringer zeitlicher Distanz angefertigten Skizzen und Notizen und den späteren Ausarbeitungen ergibt, hat bereits Fontane bemerkt; allerdings widersprach Hensel ein Stück weit der Bemerkung des Biografen, Schinkel hätte die flüchtig hingeworfenen Umrisse „am Abend mit der staunenswertesten Treue und von einem nie irrenden Gedächtnis unterstützt im einzelnen“ ausgeführt. Denn sie zeigte auf, wie bei dieser Ausarbeitung theatrale Verfahrensweisen zum Tragen kommen oder, anders gewendet, Schinkels Gedächtnisarbeit an dramaturgischen Kategorien ausgerichtet bleibt. Der Vortrag eröffnete damit einen erfrischend neuen Blick auf Schinkels Werk, ohne dabei der Bewunderung, die sich in Fontanes Darstellung ausdrückt, einen Abbruch zu tun.

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