„Brief aus Berlin“ (31): Der Theodor-Wolff-Park

Die „Briefe aus Berlin“ erscheinen in den „Mitteilungen“ der Fontane Gesellschaft und werden auf der Website ebenfalls zugänglich gemacht.

Von Georg Bartsch

Wir spazieren heute mit Theodor Fontane an das südliche Ende der Friedrichstraße. Dort hat der Krieg eine Häuserlücke hinterlassen, die als Park angelegt ist, den Theodor-Wolff-Park. Wolff, der an den Folgen seiner Inhaftierung im KZ Sachsenhausen starb und auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee beigesetzt wurde, war zu Fontanes Zeiten Mitarbeiter des „Berliner Tageblatts“, in dem er eine Rezension zu Stine schrieb.

„Man kann es nicht genug wiederholen, man muss es immer wieder und wieder predigen, dass der echte und rechte Dichter von Natur nicht ein Realist, sondern ein Romantiker ist. Der Realist ist der Beobachter, der Schilderer, meinetwegen der Chronist seiner Zeit, aber der Romantiker ist der Poet. Und so lebt in Fontane ein romantisches Begehren.“

Fontane bedankte sich für die „überaus freundliche Besprechung: Was Sie schreiben, ist alles nur zu richtig“ und griff den Vergleich von Lene (Irrungen, Wirrungen) und Stine auf: „Lene ist berlinischer, gesünder, sympathischer und schließlich auch die besser gezeichnete Figur. Auf die Frage Lene oder Stine hin angesehen, kann Stine nicht bestehen, darüber habe ich mir selbst keine Illusionen gemacht, das Beiwerk aber – mir die Hauptsache – hat in Stine vielleicht noch mehr Kolorit. Mir sind die Pittelkow und der alte Graf die Hauptpersonen, und ihre Porträtierung war mir wichtiger als die Geschichte“.

Nun, wie hat Fontane diesen Teil der Friedrichstraße erlebt? Hier stand das Haus, in dem sein Freund Franz Kugler wohnte.

„Dies Haus, das, wenn ich nicht irre, dem alten Kammergerichtsrat Hitzig, dem Freunde von E. T. A. Hoffmann gehört hatte, lag am Südende der Friedrichstraße, nahe dem Belle-Alliance-Platz [heute Mehringplatz], und umschloß, klein wie es war, nur drei Familien. Im Erdgeschosse wohnten zwei Fräulein Piaste, wahrscheinlich Muhmen aus alten Tagen her, im ersten Stock General Baeyer, im zweiten – Mansarde – Franz Kugler, der sich 1833 oder 1834 mit der jüngsten Hitzig’schen Tochter, einer vielumworbenen und besungenen Schönheit, verheiratet hatte. Mehr als eins der Geibel’schen Lieder ist an sie gerichtet. Ihrer Schönheit entsprach ihre Liebenswürdigkeit und ihrer Liebenswürdigkeit der feine Sinn und Geschmack, mit dem sie Räume von äußerster Einfachheit in etwas durchaus Eigenartiges umzugestalten gewußt hatte. Da, wo die weit vorspringenden Mansardenfenster ohnehin schon kleine lauschige Winkel schufen, waren Efeuwände aufgestellt, die, sich rechtwinklig bis mitten in die Stube schiebend, das große Zimmer in drei, vier Teile gliederten, was einen ungemein anheimelnden Eindruck machte. Man konnte sich, wäh rend man im Zusammenhang mit dem Ganzen blieb, immer zurückziehen und jedem was ins Ohr flüstern. An gesellschaftlichen Hochverrat dachte dabei keiner.

So sah es in dem ’Kugler’schen Salon’ aus, an den ich, wenn ich wegen meiner eigenen mehr als einfachen Wohnräume gelegentlich bespöttelt werde, zurückzudenken häufig Gelegenheit habe. ‘Was wollt Ihr?’ frage ich dann wohl. ‘Ihr müßt mir diesen Zuschnitt schon lassen. Seht, da war mein väterlicher Freund Franz Kugler, der war ein Geheimrat und eine Kunstgröße und wohnte womöglich noch primitiver als ich. Und doch, ich habe da die schönsten Stunden verbracht, schöner als in manchem Schloß. Und nun gar erst als in mancher modernen Stuckbude. Laßt mich also ruhig. Es kommt wirklich auf was anderes an.’“

Franz Kugler hat die große Biographie zu Friedrich II. geschrieben mit den schönen Illustrationen von Adolph Menzel. Kugler, obwohl gerade einmal 12 Jahre älter, war ein väterlicher Freund Fontanes. „Warum wir ihn […] den ‘alten Kugler’ nannten, weiß ich nicht recht, denn stattlich, grad aufrecht, von blühender Gesichtsfarbe, war der Eindruck, den er machte, eher jugendlich“.

Jedes Jahr sprach Fontane einen Toast auf Kugler zu dessen Geburtstag: „Ich bin ein toastender Fridolin“ heißt es 1856 und zwei Jahre später:

Das rechte Wort, was kann es sein
An diesem Ehrentag, –
Ein zweites Funfzig (schenket ein!)
Ein Gott dir schenken mag.

Und scheinen funfzig dir zuviel,
so fünfundzwanzig doch,
Die aber sein dir Kinderspiel –
Der Kugler lebe hoch!

Es war Kuglers Todesjahr. Er starb mit nur 50 Jahren. Sein Grab, ein Ehrengrab des Landes Berlin, finden wir auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in der Großgörschenstraße.

One comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.