Die Sektion Hannover Anfang 2016 – Rückblick

Fontanes Roman Schach von Wuthenow, nur vordergründig eine Liebesgeschichte, die an überkommener Moralvorstellung, falsch verstandenem Ehrbegriff und Korpsgeist scheitert,  erfuhr bei seinem Erscheinen erstaunlich wenig Beachtung. Er ist ein Beispiel dafür, wie schnell bestimmte Ereignisse, Anschauungen und Lebensgefühl und das Verständnis dafür in Vergessenheit geraten. Die ehemalige Deutsch- und Geschichtslehrerin Gabriele Meuer aus Hannover führte uns in Bild und Ton ein in die Welt des überlebten friderizianischen Preußen vor 1806, wenige Monate vor den katastrophalen  Schlachten von Jena und Auerstädt, die Preußen beinahe zu einem nur geographischen Begriff  hatten werden lassen. 1882, beim Erscheinen des Zeitungsvorabdrucks dieser Erzählung aus der Zeit der Gensdarmes, ein gutes Jahrzehnt nach dem kurzen Krieg von 1870/71, hatte Preußen sich von dieser Schmach erholt, war allerdings Teil eines vereinigten Deutschlands geworden. Eine geballte besondere Geschichtsstunde mit eingehender Analyse des politischen Zustandes und einem nachvollziehbaren Psychogramm der handelnden, meist historischen Personen wurde uns am 16. Januar 2016 geboten. Rund 40 Fontane-Freunde  hatten sich trotz plötzlichen Wintereinbruchs zur traditionellen Geburtstagskaffee-Stunde  im Leonardo Hotel eingefunden. Sie waren sich einig darüber, dass sie eine besondere Gedenkstunde miterlebt und ihre Teilnahme daran nicht zu bereuen hatten,  eine Gedenkstunde, die  eingangs begleitet wurde von Musikkompositionen des Prinzen Louis Ferdinand.

IMG_2589 Dr. Petra Dollinger, Ingrid Dietsch

Einen Monat später sorgte Frau Dr. Petra Dollinger aus Gräfelfing für einen weiteren Höhepunkt. Im Hinterkopf hatte man noch ihre brillante Darstellung über Fontane und die Berliner Salons von vor einem Jahr. Informativ und temperamentvoll zeichnete sie diesmal ein lebendiges Bild von der schwierigen Freundschaft, die Fontane mit dem elf Jahre jüngeren, äußerst produktiven Dichterkollegen Paul Heyse verband, den heute nur wenige noch kennen, der sich aber bei den Lesern  seiner Zeit großer Beliebtheit erfreute.  Paul Heyse, jung und erfolgreich, brachte etwa 1850 etwas frischen Wind in den Berliner Tunnel, nach der Devise – wie Fontane es formulierte – "Mir gehört die Welt, und ich habe nicht Lust, allen möglichen Mittelmäßigkeiten zuliebe mit meiner gescheiteren Ansicht hinterm Berge zu halten", bevor er mit nur 24 Jahren von König Maximilian II. nach München berufen wurde. Fontanes Frau las ihn gern, ihr Mann erkannte Heyses Talent, bemerkte aber auch fehlenden Tiefgang in seinen Romanen. Es scheint, als wäre Heyse, in der Nach-Goethe-Zeit aufgebrochen und irgendwann stehen geblieben. Verständnislos stand er den Naturalisten gegenüber, von denen er vehement abgewiesen wurde. –

IMG_2610 (2) Prof. Fischer; Ingrid Dietsch, Christa Arnold

Erfrischend, informativ und humorvoll erzählte uns Professor Hubertus Fischer im März, warum Fontane  nach nur einem Besuch auf der Durchreise zu der Erkenntnis gekommen war, dass für ihn Nürnberg – obwohl er einzelne Sehenswürdigkeiten wie z. B. die Lorenzkirche durchaus bewunderte – keinesfalls als schönste Stadt Deutschlands anzusehen sei. Er hatte andere Stadtbilder im Kopf, denen die "Reichsbutzenscheibenherrlichkeit" dieser von ihm  als kleinbürgerlich empfundenen "Kofmannstadt" nicht entsprach. Doch andererseits gab es seit 1852 das Germanische Museum (dem viel später noch die Ergänzung "National" hinzugefügt wurde) und – mit Berliner Beteiligung – seit 1857 einen Hilfsverein zur Unterstützung dieser Institution, an welchem auch Fontane irgendwie beteiligt war…

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Text: Ingrid Dietsch

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