Der Zeuthener Fontane-Kreis im 1. und 2. Halbjahr 2013

Text: Joachim Kleine

Unser Veranstaltungskalender begann am 26. Januar wie der
des Jahres 2012 geendet hat: mit Friedrich II.: „Wie wird man ein Großer?
Friedrichs Weg in die Geschichte“
 war das Motto der Veranstaltung. Den ersten Teil bestritt Dr. Jürgen Luh, Historiker und, seit
2008, Referent
für Wissenschaft und Forschung in der Generaldirektion der Stiftung Preußische
Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG). Er hat sich als Kurator
bedeutsamer Ausstellungen und als Publizist einen Namen gemacht. Außerordentlichen
Erfolg brachte im vorigen Jahr die Ausstellung „Friederisiko“ im Potsdamer Neuen
Palais mit mehr als 350.000 Besuchern. Diese Ausstellung, wie sein Buch Der Große. Friedrich II. von Preußen,
2011 bei Siedler erschienen, werden als eine Zäsur in der Preußenrezeption
bewertet. L. räumte einige Legenden aus und zeichnete ein neues Bild von diesem
Preußenkönig, das aufmerksam zur Kenntnis genommen wurde und auch uns zur
Diskussion anregte. Zum Ausklang des Tages hörten wir „Privates“ aus dem
Briefwechsel Friedrichs mit seiner Lieblingsschwester Wilhelmine, der späteren
Markgräfin von Bayreuth, gelesen von Christine und Gerd Bandelow sowie Frau
Maria Luise Lüpke. Flötentöne von Friedrich II. und Quantz entführten
uns in die musikalische Welt von einst.

An
jüngste deutsche Geschichte erinnerte uns dagegen die Journalistin und
Radiomoderatorin Marion Brasch mit ihrem Buch Ab jetzt ist Ruhe. Roman
meiner fabelhaften Familie
. Sie las am 16. Februar daraus und stellte
sich den Fragen und Meinungen vieler Gäste. Deren lebhafte Anteilnahme
verwunderte nicht, war ihr Vater Horst doch ein DDR-Kulturpolitiker in hohen
Ämtern, der – trotz Ergebenheit zu seiner Partei – mit dieser in Konflikt
geriet und gemaßregelt wurde, ihre Mutter – eine bekannte Journalistin –
desgleichen. Zwei ihrer Brüder dagegen wurden zu oppositionellen Schriftstellern
und brachen mit dem Staat, auch der jüngste, ein Schauspieler, ging eigene Wege.
Sie alle starben früh und unter tragischen Umständen. Marion Braschs Roman gibt
tiefe, in ihrer Direktheit und Unverstelltheit ergreifende Einblicke in den Alltag
einer zerbrechenden Familie. 

Am 9. März referierte Dr. Maria Brosig über “Alle
Mätressen sind tot.“ Paarkonstellationen der DDR-Literatur in der Tradition
Fontanescher Beziehungsmuster
. Die
promovierte Literaturwissenschaftlerin und Mitarbeiterin am Institut für
Germanistik der Universität Potsdam äußerte sich zu dem Thema schon im Heft 94
der Fontane-Blätter. In ihrem Vortrag ging es eigentlich mehr darum, ob und
inwieweit in den von ihr betrachteten Romanen von DDR-Schriftstellern und in
der daraus ersichtlichen Veränderungen im Rollenverhalten von Frauen von einer
Tradierung Fontanescher Beziehungsmuster 
gesprochen werden könne, ob es da – sieht man von tragischen
Liebeskonflikten ab, wie sie es zu allen Zeiten gab und gibt – nicht vielmehr
um ein ganz anderes, ideologisch motiviertes Frauenbild ging. Das wurde recht kontrovers diskutiert und regte manche Zuhörer(innen)
an, sich unter diesem Blickwinkel selbst noch einmal mit dem einen oder anderen
der an diesem Nachmittag auch antiquarisch angebotenen Buchtitel zu befassen. 

Am 6. April 2013 war die
Brandenburger Schriftstellerin Jenny
Erpenbeck
bei uns zu Gast. Sie
las aus ihrem neuesten Buch
„Aller Tage Abend“.
Jenny Erpenbeck beschreibt in dem Roman meisterhaft fünf
mögliche Biographien ein und derselben Frau, die sich an Schicksale ihrer
Großeltern und deren Zeitgenossen anlehnen. Besonders beeindruckte, wie es die
Autorin vermocht hatte, ihre Verflechtung von Fiktivem mit wirklich Geschehenem
ins Allgemeingültige zu heben. Der Roman erlebte schon mehrere Auflagen und
wurde mit mehreren Buchpreisen. Auch andere ihrer Bücher – wie die Geschichte vom alten Kind (1999), Tand. Erzählungen (2001), Wörterbuch. Roman (2004) Heimsuchung. Roman (2008), Dinge, die verschwinden. Kolumnensammlung (2009)
fanden viele Leser. 

Ein besonderes „Fontaneereignis“ –
von rund hundert Zuhörern wahrgenommen – gab es am 20. April: Da ging Dr. Gotthard
Erler
– seit fast drei Jahrzehnten eng mit dem Zeuthener
Fontane-Kreis verbunden – weit über das angekündigte Thema Fontane illustriert
hinaus, plauderte fast anderthalb Stunden frei, nur durch einen Spickzettel und
einige Lesezeichen unterstützt, höchst unterhaltsam über Theodor Fontanes
Neigung zu bildenden Künstlern seiner Zeit – und dieser zu ihm, über die
gleichwohl nicht immer unproblematische oder gar nicht zustande gekommene
Zusammenarbeit mit Malern und Graphikern, die ihn porträtierten, manches Buch
von ihm bebilderten (oder hätten bebildern können) wie über die Buntheit und
Vielfalt der Handschriften all jener, die sich dieser Aufgabe später stellten
und noch immer stellen: von Max Liebermann über Max Schwimmer, Peter Nagengast
und Sabine Wilharm bis zu Armin Mueller-Stahl. Beinahe beiläufig nach solch
weit gespanntem Exkurs stellte Herr Erler sein Fontane-Brevier vor. Unter dem Titel „Man hat keine andre Heimat
mehr als die Erde“ ist es gerade von Faber & Faber in Leipzig herausgegeben
worden. Auf 180 Seiten hat Herr Erler darin bemerkenswerte, vielfach ergötzliche
Texte aus allen Genres Fontanescher Wortkunst vereint: Bonmots aus Briefen und Prosawerken,
Gedichte, Bekenntnisse und scharfsichtige Beobachtungen, Erfahrungen, Lebensweisheiten.
Manches aus Erlers Auswahl ist längst zum Geflügelten Wort geworden, vieles
liest sich erstaunlich neu und wie für uns geschrieben. Der Graphiker Egbert Herfurth setzte 40 witzige Vignetten dazwischen, Dr.
Mende sorgte mit Großprojektionen für die Veranschaulichung. Es ist ein schönes,
lesens- und schenkenswertes Buch geworden – und kostet nur 12 Euro! 

Am 25. Mai bleibt es bei unserem geplanten
Tagesausflug in den Hohen Fläming. Durch
Rainer Rohleder, unseren bewährten,
umsichtigen Fahrtenleiter, ist alles solide vorbereitet, der Bus – schon ausgebucht. 

Am 8. Juni wird der 15. Zeuthener Fontanetag zu Fontanes „Vermächtnisroman“
Der Stechlin
stattfinden. Wir
erwarten vormittags ab 10.00 Uhr im DESY Zeuthen zwei Vorträge. Einem Auftaktreferat
Klaus-Peter Möllers vom Potsdamer
Fontane-Archiv wird sich Dr. Rolf Zuberbühler
mit dem Hauptreferat anschließen. Seitdem der Schweizer Germanist vorigen
Sommer in Berlin sein Buch Fontanes
politischer Altersroman im Lichte der ‚Vossischen Zeitung’…
vorstellte, ist
er vor zwei Monaten in Winterthur und vorigen Montag in Bocholt mit deutlich
veränderten Neufassungen seines Vortrags darüber aufgetreten und fand großen
Anklang. Auch Zeuthen lässt keinen „zweiten Aufguss“, sondern manches Originelle
erwarten. Der Tag dürfte also für jedermann besuchenswert sein. Umso mehr, als
das Zeuthener Hosfeld-Ensemble nachmittags
mit einer szenischen Lesung des Romans aufwarten
wird; sie entsteht gerade – eigens zu diesem Zweck. Um nicht nur Interpreten,
sondern auch Fontane selbst zu Wort kommen zu lassen, haben wir auf das für den
Nachmittag ursprünglich vorgesehene Korreferat Dr. Paul Irving Andersons verzichtet.
Der mit oft überraschend neuen Deutungen aufwartende Fontaneforscher und
-interpret aus Aalen / Baden-Württemberg wird nächstes Jahr für ein etwas
verändertes Thema einen eigenen Termin eingeräumt bekommen.

Im 2. Halbjahr 2013 sind folgende Veranstaltungen geplant:

  • Unter dem Motto „Gotthard Erler
    80 Jahre“
    wollen wir am 7. September in einem festlichen Rahmen dessen im
    Stapp-Verlag herausgekommene Anthologie’Hinterm
    Berg wohnen auch Leute’. Theodor Fontane, seine Familie, seine Freunde, seine
    Bücher
    vorstellen und daraus lesen. Die Anthologie kann zu einem
    Vorzugspreis erworben werden.
  • Einen Monat später,
    wahrscheinlich am 5. Oktober, folgen zwei
    Vorträge zu einem wichtigen Fontane-Thema
    : Frau Dr. Christine Eichel wird über Das
    deutsche Pfarrhaus – Hort des Geistes und der Macht
    und Prof. Dr. Roland Berbig über Pastoren
    bei Fontane 
    sprechen.
  •  Am 9. November begrüßen wir Dr. Rolf Kuhn zu seinem Dia-Vortrag Die
    Denkmäler auf dem Berliner Schinkelplatz
    . Dr. Kuhn ist uns seit seinen
    vorjährigen Darlegungen über den Baukünstler, Bildhauer und Maler Otto Lessing,
    einen Zeitgenossen Fontanes, in bester Erinnerung. 
  • Am 7. Dezember schließlich
    wollen wir das Jahr mit Balladen und Gedichten Theodor Fontanes
    vertont
    beschließen. Die Sopranistin Ute Beckert wird uns damit
    erfreuen, vielleicht gelingt es uns, einige Schülerinnen und Schülern mit
    Rezitationen einzubeziehen.

Alle Vorträge finden, wenn nicht
anders angekündigt, jeweils samstags ab 15.00 Uhr im DESY Zeuthen, Platanenallee
6, Seminarsaal III statt.

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